Mittwoch, 14. Mai 2008

Sonderbare Erscheinungen


Das musste jetzt noch sein: Nach längerem Wühlen im Netz habe ich ein Bild wiederentdeckt, das mir vor vielen Jahren schon einmal in irgendeiner chilenischen Zeitschrift begegnet war. Es zeigt Augusto Pinochet im September 1986, kurz nach dem Attentat, das ein Kommando der linksextremen FPMR auf ihn verübt hatte. Dass der Diktator den Kugelhagel und die auf sein Auto abgefeuerten Raketen mit einer leichten Verletzung an der Hand überlebte (im Gegensatz zu fünf Mitgliedern seiner Eskorte) war seiner Ansicht nach nicht nur der Panzerung des Fahrzeugs zu verdanken, sondern ein direkter Gnadenerweis der Jungfrau Maria, unter deren persönlichem Schutz sich der gläubige Katholik immer wähnte. Den Beweis führt er auf diesem Foto der Presse vor: In einem Seitenfenster seines Mercedes haben die Geschosse der Terroristen die Umrisse der Muttergottes mit Jesuskind hinterlassen.


Aber das Bild der Santísima Virgen erscheint in Chile nicht nur auf den Autofenstern von Verbrechern, sondern auch in der abblätternden Farbe von Wänden, auf Hühnereiern oder im Schraubverschluss einer Coca-Cola-Flasche, wie der großartige Pedro Lemebel hier süffisant bemerkt (leider nur auf Spanisch). Sein Text erzählt die monströs absurde, aber wahre Geschichte des Waisenknaben Miguel Ángel, der Anfang der Achtzigerjahre irgendwo in der südchilenischen Provinz Marienerscheinungen hatte - woraufhin abertausende Gläubige auf einen Hügel pilgerten und ein Heiligtum errichteten. Die wenigen, die heute noch dort beten, erinnern sich an Miguel Ángel allerdings nur ungern. Er hat zwischenzeitlich eine mysteriöse Geschlechtsumwandlung vollzogen (Maria ließ ihn zur Frau werden, sagt er bzw. sie), und die Kirche hat ihn bzw. sie schon damals nach eingehender Prüfung als Scharlatan eingestuft. Die Muttergottes verehren darf man mit Erlaubnis der vatikanischen Glaubenskongregation trotzdem auf dem Berg - solange man sich dabei nicht direkt auf die vermeintlichen Erscheinungen bezieht.

Hier ein Fernsehbericht über den mysteriösen Fall:



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