Samstag, 19. Dezember 2009

Junge Frauen wählen anders

Kleine Wahl-Nachlese: Als am vergangenen Sonntag die Stimmen ausgezählt wur­den, hatten wir uns einer uns persönlich bekannten Gruppe von Wahl­be­ob­ach­tern in Santiago angeschlossen. Es handelte sich um ein kleines, qua­si familiäres Kommando der PPD, Teil der Concertación und somit Un­ter­stüt­ze­rin des Kan­di­da­ten Eduardo Frei. Umso größer war die Bestürzung unserer Freunde, als an der ersten mesa (dem Wahl-Tisch, von dessen Art es rund zwanzig in jener Schule im Stadtteil Cerrillos gab, in die es uns verschlagen hatte) der abtrünnige Sozialist Marco Enríquez-Ominami (MEO) nicht nur Frei, sondern sogar den Oppositionskandidaten Sebastián Piñera überflügelte. Der galt zu Recht als Favorit im ersten Wahlgang mit vier Kandidaten. MEO hingegen sollte laut allen Umfragen deutlich hinter Frei landen, und so war es dann ja auch. Nur nicht an diesem einen Tisch.

Die Gründe dafür kann man in einigen Besonderheiten des chilenischen Wahl­pro­ze­de­res suchen. Hier treffen sich in einem Wahllokal nicht nur Menschen aus demselben Viertel und somit demselben sozioökonomischen Umfeld (wie in Deutschland und anderswo auch), gewählt wird getrennt nach Geschlechtern und gestaffelt nach Alter. Es gibt Männer-Tische und Frauen-Tische, und weil man ein ganzes Wählerleben lang an seine mesa gebunden ist, sterben die mit den niedrigen Nummern langsam aus, während immer wieder neue, höher nummerierte Tische aufgemacht werden. Beim besagten Tisch handelte es sich um den "jüngsten" in einem Frauen-Wahllokal. Fazit: Junge Frauen der unteren Mittelschicht entschieden sich mehrheitlich für den jungen Marco. Warum, das muss jeder für sich selbst beantworten.

PS: Chilenische Wahlzettel müssen nach einem ganz bestimmten Prinzip entlang vorgegebener Linien zusammengefaltet und am Ende mit einer selbstklebenden Marke zu einem Briefchen verschlossen werden. Auf Nachfrage gaben die be­frag­ten Chilenen zu Protokoll, sie hatten es für eine weltweit übliche Praxis ge­hal­ten, Wahlzettel entlang vorgebebener Linien zu falten und mit selbstklebenden Mar­ken zuzukleben. Die Gründe für das Falten und Kleben sind offenbar in Ver­ges­sen­heit geraten.

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