Dienstag, 18. März 2008

Valle Volcanes

In Valle Volcanes bellen die Hunde im Verein. Bei Einbruch der Dunkelheit beginnt das Kläffkonzert, es endet gegen elf. Warum das so ist, weiß niemand genau, womöglich tauschen sich die Tiere darüber aus, was sie so am Tag erlebt haben. Viel kann das eigentlich nicht sein, denn in Valle Volcanes geschieht ausgesprochen wenig.

Valle Volcanes heißt das Neubauviertel am Rand von Puerto Montt im Süden Chiles, wo wir uns für die kommenden Jahre niedergelassen haben. Es ist so neu, dass viele Straßen keinen richtigen Namen haben, sondern lediglich „Neue 12“ heißen oder, wie unsere, Nueva Oriente 4, „Neue Ost 4“. Auch bei der Nummerierung der Häuser musste es offenbar schnell gehen: Mitten auf der Nueva Oriente 4 wechselt plötzlich die Richtung, die Zahlen steigen nicht mehr auf, sondern machen einen Sprung, um wieder abzusteigen. Vielleicht bekommen wir deswegen fast nie Post.

In Valle Volcanes gibt es nur wenige Geschäfte, aber einen großen Supermarkt in der Mitte. Im Santa Isabel trifft sich das Viertel, vor allem abends, wenn die Einkäufe für den kommenden Tag erledigt werden. Auf der Straße – auch das ist für Chile ungewöhnlich – begegnet man sich kaum. Es mag daran liegen, dass die Bewohner von Valle Volcanes arbeitsame Menschen sind und größtenteils auch Arbeit haben. Und Autos. Mit denen verlassen die Bewohner von Valle Volcanes im Morgengrauen ihre Häuser in Richtung Innenstadt, um am Nachmittag geschlossen zurückzukehren.


Ein reiches Viertel ist Valle Volcanes nicht, eher eines der aufstrebenden Mittelschicht. In Valle Volcanes gibt es ein Dutzend verschiedener Haustypen, die sich alle sehr ähnlich sehen. Weil die spitzgiebeligen Häuschen bunt und abwechslungsreich gestrichen sind, findet man sich trotz der architektonischen Monotonie schnell zurecht. Man kann sich auch an den Erkerfenstern orientieren, die alle Häuser zieren und von den meisten Bewohnern als eine Art Vitrine genutzt werden: Hier steht ein großer geschnitzer Elefant, dort eine Jugendstillampe. Spielzeuge verweisen auf Kinder, Topfpflanzen auf einen grünen Daumen.

Dass Valle Volcanes kein reiches Viertel ist, lässt sich auch an anderen Dingen ablesen. Die reichlich vorhandenen Spielplätze sind staubig und voller Steine, die Schaukeln und Wippen recht grob aus Holz und Blech montiert. Die Straßen sind nicht asphaltiert, sondern aus Zementplatten zusammengefügt, und auf der Mittelinsel des Kreisverkehrs am Santa Isabel kümmert eine dünne Palme vor sich hin, die mit dem regnerischen Klima zu kämpfen hat. Um die Müllcontainer des Viertels streichen Hunde, manche von ihnen haben offenkundig keinen Besitzer. Manchmal brennt irgendwo in der Nachbarschaft Müll, dann schließt man besser die Fenster in Valle Volcanes.

Das „Tal der Vulkane“ trägt seinen Namen übrigens zu Recht: Von hier aus hat man - bei entsprechendem Wetter - eine hervorragende Sicht auf die großen Vulkane der Umgebung. Hinter dem Supermarkt erhebt sich der Calbuco mit seinem zerklüfteten Gipfel, und der weiß gepuderte Kegel des Osorno schaut über die bewaldeten Hügel am Rande von Valle Volcanes. Dieser Anblick entschädigt für alles andere.

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