Montag, 20. Juli 2009

Minimalbetrieb

Bloggen geht gerade gar nicht. Für Facebook-Freunde gibt es aber zweimal täglich ein Bolivien-Aperçu per Statusaktualisierung. Wer noch nicht bei Facebook ist, kann das bei dieser Gelegenheit ja mal ändern.

Mittwoch, 15. Juli 2009

Kurze Pause

Diese Winterferien haben wir uns redlich verdient. Bloggen wird schwierig sein, wenn auch nicht unmöglich: Es geht nach Bolivien. Spätestens Ende Juli gibt es Neuigkeiten. Nos vemos.

Samstag, 11. Juli 2009

Talfahrt

... und danke für den Fisch: Der Abgesang des "Mercurio" auf unsere kleine Stadt

Eigentlich ist es ein Zufall, dass wir sie nicht kennen, Bernarda García und Alvaro Quintana. Sie wohnen irgendwo bei uns um die Ecke, in unserem Viertel, ihre bei­den Kinder gehen auf die Deutsche Schule. Gingen. Denn wie eine heute im "Mer­cu­rio" erschienene Reportage schildert, sitzen die vier auf gepackten Kof­fern. Das Kapitel Puerto Montt ist für sie abgeschlossen: "Hier geht einfach nichts mehr."

Der Ingenieur Quintana verdiente bis vor kurzem 5 Millionen Pesos (6.500 Euro) in einer Firma, die hydraulische Anlagen für die Lachsindustrie installiert und wartet. Die beiden Kinder besuchten die teuerste Schule am Ort, die Familie mietete ein großes Haus mit Garten, ging an den Wochenenden gut essen oder ins Casino von Puerto Varas, alles lief wie geschmiert. Dann geriet der Lachs in die Krise. Heute kann die Familie kaum noch ihre über diverse Kreditkarten angehäuften Schulden bedienen, weil der Arbeitgeber seit Monaten die Gehaltszahlungen stundet.

Was bei unserer Ankunft in Puerto Montt noch wie ein drohende dunkle Wolke über der Stadt hing, ist längst Realität geworden: Der Lachs-Boom, das große Geschäft mit dem Mastfisch, das ein gutes Jahrzehnt lang Geld und Men­schen anspülte, ist in sich zusammengebrochen. In dieser Zeit schufen die Pro­du­zen­ten, direkt oder indirekt, an die 15.000 neue Arbeitsplätze - pro Jahr. Überall entstanden auf der grü­nen Wiese Zuliefer- oder Servicefirmen, der Einzelhandel und der Woh­nungs­bau explodierten. Ende 2006 herrschte praktisch Voll­be­schäf­ti­gung. Dann, im Juli 2007 traten sie ersten Fälle des ISA-Virus auf.

Jetzt, im ersten Quartal 2009, ist die Arbeitslosenquote auf 10,4 gestiegen. In den letzten 12 Monaten sind nach offiziellen Angaben in der Provinz 17.000 Jobs weg­ge­bro­chen. Und ein Ende ist nicht absehbar. Ein Freund, der für einen nor­we­gi­schen Lachshersteller arbeitet, drückt es so aus: "Ab Oktober gibt es kei­nen Lachs mehr in Puerto Montt." Aufgrund der Infektionsgefahr setzten die meis­ten Firmen keine Jungtiere mehr in die Schwimmkäfige ein. Und wenn die erst­mal leer sind, dauert es anderthalb Jahre, bis ein neuer Zucht- und Mastzyklus abgeschlossen ist.

Der "Mercurio" zitiert Carlos Odebret, den Geschäftsführer des Branchenverbands SalmonChile: "In anderthalb Jahren haben wir die Gewinne von zehn Jahren ver­lo­ren." Zum Lachs-Virus, der sich rasant ausbreitete, kam die Welt­wirt­schafts­kri­se, die Banken geben keine billigen Kredite mehr und fordern Ga­ran­tien, die die klammen Firmen nicht aufbringen können.

Odebret will jetzt das Lachs-Geschäft umkrempeln: "Es hat uns an Professionalität gemangelt. Wir müssen in Zukunft verantwortlicher mit dem Meer als Standort umgehen, wir brauchen Ruhephasen zwischen den Produktionszyklen und einen rechtlichen Rahmen zur Herstellung ökologisch verträglicher Bedingungen." Das sind keine neuen Erkenntnisse, aber noch vor zwei Jahren haben sie niemanden interessiert. Damals floss das Geld ja noch in Strömen.

Bis die Industrie wieder Fahrt aufnimmt, ist es - wenn überhaupt - noch ein weiter Weg. Und die Talsohle ist noch lange nicht erreicht, man rechnet frühestens ab 2012 mit einem Aufschwung. "Ich fürchte, dass Puerto Montt eine Geisterstadt wird", sagt Alvaro Quintana im "Mercurio", "wie die einstigen Salpeter-Städte im Norden." Dabei sieht man von der Krise noch nicht viel auf den Straßen. Noch haben genug Menschen genug Geld, und sei es aus der Abfindung, die sie bei ihrer Kündigung erhalten haben. Noch werden die Hochhäuser zu Ende gebaut, die vor zwei Jahren projektiert wurden. Der Motor ist ausgefallen, aber das Auto rollt noch.

Dazu kommen verstärkte öffentliche Investitionen, mit denen der Staat die Krise - landesweit - abzumildern versucht. Diese Mittel fließen in Straßenbau oder Grün­flä­chen­ar­beiten. Im Mai und im Juni haben zwanzig, dreißig arbeitslose Frauen ent­lang von S.' Schulweg wochenlang Erde abgetragen, Löcher gebuddelt, Bü­sche gepflanzt und Rollrasen verlegt. Der verwandelt sich jetzt im Juliregen zu Matsch. Es sieht nicht gut aus für Puerto Montt.

Montag, 6. Juli 2009

Hormoneller Aufruhr

Der Gesundheitsausschuss des chilenischen Abgeordnetenhauses gleicht dieser Tage einem Seminar der Reproduktionsmedizin. Experten - durch die Bank Männer - werden angehört, die in länglichen Powerpoints den Menstruationszyklus zerpflücken und Kurven hormoneller Ausschüttungen interpretieren. Dabei geht es nur um eine Frage: Ist die "Pille danach" eine Abtreibungspille oder nicht?

Die Vorgeschichte wurde im Blog schon angedeutet - es geht um den erbitterten Kampf der katholischen Ultrarechten gegen das Hormon Levonorgestrel, das etwa unter dem Markennamen "Postinor 2" Schwangerschaften auch noch nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr verhindern kann. Der Wirkstoff bzw. die entsprechenden Präparate sind fast in jedem Land der Welt erhältlich, die WHO empfiehlt ihre Rezeptfreiheit als probates Mittel zur Vorbeugung ungewollter Schwangerschaften.

In Chile, wo Abtreibung selbst dann unter Strafe steht, wenn die Frau vergewaltigt wurde oder durch die Schwangerschaft gesundheitlich gefährdet ist, hat eine Gruppe rechter Parlamentarier im vergangenen Jahr eine Beschwerde eingereicht, der das Verfassungsgericht entsprach. Seitdem dürfen Einrichtungen des staatlichen Gesundheitswesens die píldora del día después nicht mehr abgeben. Nach einer Entscheidung des chilenischen Rechnungshofs vom April dieses Jahres darf das Präparat auch nicht mehr von quasistaatlichen Einrichtungen wie Stadtverwaltungen oder NGOs bereitgehalten werden. Verboten ist es deswegen noch lange nicht, aber gerade arme Frauen, die eine ungewollte Schwangerschaft am meisten in Bedrängnis bringt, haben am wenigsten Chancen, es in einer Apotheke käuflich zu erwerben.

Das Argument der beschwerdeführenden Abgeordneten: Die Pille danach sei "abortiv", also eine Abtreibungspille - und seine Abgabe damit nicht verfassungsgemäß. Tatsächlich ist der Stand der Wissenschaft ein anderer: Das hoch dosierte Levonorgestrel verhindert kurzfristig den Eisprung und somit überhaupt die Befruchtung (hier ein ausführlicher Bericht). Die von den Gegnern bemühten Experten können das Gegenteil nicht beweisen, argumentieren aber, es bestehe zumindest fallweise die Möglichkeit, dass die Pille die Einnistung eines bereits befruchteten Eis verhindere. Für einen rechten Katholiken ist das natürlich - wenn es denn so ist - Mord.

Hormon der Zwietracht: Levonorgestrel (Quelle: Wikipedia)

Dass sich das Parlament jetzt wieder mit dem Thema beschäftigt, liegt an einem von Präsidentin Michelle Bachelet im Eilverfahren auf den Weg gebrachten Gesetzentwurf, der eine klare gesetzliche Grundlage für Beratung und medizinische Betreuung von Frauen in Fortpflanzungsfragen legen soll - die Abgabe von Notfall-Kontrazeptiva durch öffentliche Einrichtungen eingeschlossen. Am 30. Juni wurde der Entwurf an den Kongress überwiesen, beide Kammern haben jeweils zehn Tage Zeit zur Beratung.

Die Eil-Initiative hat auch mit dem Wahlkampf zu tun: Der Kandidat der rechten "Alianza por Chile", Sebastián Piñera - in Wertefragen deutlich liberaler eingestellt als viele Politiker seines Lagers -, hatte angekündigt, einer Neuregulierung der Abgabe nicht im Weg zu stehen. Irgendetwas gewinnt Bachelet also auf jeden Fall: Entweder das Gesetz geht durch den Kongress, in dem die regierende Concertación keine Mehrheit mehr hat, oder Piñera blamiert sich als General ohne Truppen. Andererseits: Auch wenn das Gesetz durchkommt, werden die fanatischen Pillengegner erneut den juristischen Weg einschlagen. Das haben sie bereits angekündigt.

Hinter diesen Parlamentariern steht ein fundamentalistisch-katholisches Netzwerk. Darin spielen Organisationen wie das "Opus Dei" und die "Legionäre Christi" eine wichtige Rolle, die in der chilenischen Oberschicht höchst populär sind. Wie die "Pro-Vida"-Fraktion tickt, kann erahnen, wer diese Liste betrachtet, auf der vermeintliche Instituciones Anti-Vida aufgeführt, also "lebensfeindliche Einrichtungen": von Amnesty International und Unicef bis Weltbank und EU.

Der Gerechtigkeit halber muss man sagen: Es gibt auch Kirchenleute, die sich tatsächlich um die Probleme der Menschen kümmern - wie Felipe Berríos. Der Jesuit hat vor gut zehn Jahren die Organisation "Un Techo para Chile" (Ein Dach für Chile) ins Leben gerufen, ein Freiwilligenwerk großen Ausmaßes. Es hat sich zum Ziel gesetzt, bis zur Zweihundertjahrfeier der chilenischen Republik im September 2010 den campamentos - Slums - durch den Bau einfacher, menschenwürdiger Häuser ein Ende zu bereiten. Berríos klagt über "Taliban" in der katholischen Kirche, die die "Pille danach" verteufeln, anstatt pragmatisch zu handeln.

"Ich mache mir Gedanken darüber, was mit den Menschen geschieht, wenn sie geboren sind" sagt Berríos gerne, und dass er am liebsten ein Plakat drucken würde, das Bewohner eines Slums zeigt und dazu die Worte "Auch sie sind befruchtete Eizellen". Um den Schutz letzterer kümmerten sich viele seiner Mitbrüder nämlich mit großem Eifer - aber nicht um das Elend derer, die daraus erwachsen.

Sonntag, 5. Juli 2009

Böse Simpsons

Wenn die Kinder von Ned Flanders, dem christlich-fundamentalistischen Nachbarn der Simpsons, etwas Obszönes gesehen haben, bekommen sie die Augen mit Seife ausgewaschen. In Ecuador hat die Rund­funk­auf­sichts­be­hörde Conartel jetzt die Ausstrahlung der "Simp­sons" vor den späten Abendstunden untersagt.

Die Conartel beschied dem Sender Teleamazonas am Donnerstag mit sofortiger Wirkung, er dürfe die Serie lediglich zwischen 21 und 6 Uhr übertragen, solange die Behörde die Wirkung der Fernsehserie auf Kinder und Heranwachsende prüfe. Die Maßnahme diene dem Schutz min­der­jähriger Zuschauer vor dem Einfluss von "Programmen und Bot­schaf­ten, die Gewalt und Rassen- oder Ge­schlech­ter­dis­kri­minierung pro­pa­gieren", hieß es in der offiziellen Mitteilung. Der Sender, gegen den die Conartel bereits mehrere Sanktionsverfahren in anderen Angelegenheiten an­gestrengt hat, teilte daraufhin mit, er werde die "Simpsons" ab sofort um 5.30 Uhr ausstrahlen.

Anlass für das Sendeverbot am Tag soll die Folge "Lisas Krieg" gewesen sein, die am 22. Mai über den Bildschirm ging. Hier habe es "Ge­walt­szenen, Waf­fen­ge­brauch durch Kinder und sexuell dis­kri­mi­nie­rende Dialoge" gegeben.

Ecuador vollzieht damit den gleichen Schritt wie Venezuela, dessen Rund­funk­be­hörde im April 2008 ebenfalls einen Privatsender (Televen) dazu ver­don­ner­te, die gelben Vierfinger zum Schutz von Kindern aus dem Ta­ges­pro­gramm zu neh­men.

Ausgerechnet die Simpsons. Diese von jedem strammen Republikaner gehasste Serie, die wie keine andere die Widersprüche der US-Ge­sellschaft aufdeckt, karikiert und ins Lächerliche zieht, diese sub­versive Institution soll nun auch ve­ne­zolanischen und ecua­do­ri­ani­schen Kin­der­au­gen schaden? Dazu passt nur ein Kommen­tar:

D'oh!


Donnerstag, 2. Juli 2009

Applaus, Applaus

Was letztes Jahr ganz an uns vorbeigegangen ist: Puerto Montt hat ein Internationales Theaterfestival. Auf der frisch renovierten städtischen Bühne stehen jeden Abend im Juli Ensembles aus Chile, Argentinien, Peru, Brasilien, Kuba, Honduras, Uruguay, Paraguay, Venezuela und ... Deutschland. Nun, es handelt sich wohl um eine chilenische Laiengruppe aus Deutschland. Aber immerhin.

Dass das hiesige Publikum noch Nachhilfe in Sachen Theater-Etikette benötigt, ließe sich aus dem Reglement schließen, welches man am Eingang in die Hand gedrückt bekommt (der Eintritt ist frei). Keine Handys, keine Zigaretten, kein vernehmliches Kaugummikauen usw. Und: "Der Erfolg einer Theateraufführung bemisst sich im Applaus, der am Ende gespendet wird. Je öfter die Schauspieler dadurch auf die Bühne zurückgeholt werden, desto größer der Erfolg."

Ich finde das niedlich.