Donnerstag, 6. August 2009

Großmachtallüren, essbar

Am Donnerstag beging Chile erstmalig den "Tag des Honigs". B.'s Schulklasse war aus diesem Anlass zu einer Veranstaltung des Landwirtschaftsministeriums ein­ge­la­den worden, die Kinder malten Bilder zum Motto Por un Chile más dulce y saludable und bekamen von einem Mitarbeiter im Bienenkostüm kleine gelbe Ho­nig­tütchen zugesteckt. Mit der klebrigen PR will der Staat den chilenischen Ho­nig­verbrauch ankurbeln, der mit 100 Gramm pro Kopf und Jahr im in­ter­na­tio­na­len Vergleich sehr zu wünschen übrig lässt. Ein Neuseeländer, so ist auf der Website von Ministerin Marigen Hornkohl (!) zu lesen, verzehrt im selben Zeit­raum ganze zwei Kilo Bienensekret.

An der Qualität kann es nicht liegen: In Chile wird hervorragender Honig produziert. Vor allem der würzige miel de ulmo, eine Varietät auf Grundlage eines ein­hei­mi­schen, üppig blühenden Laubbaumes, muss keinen Vergleich scheu­en und wird auch exportiert. Allerdings macht der Preis guten Honig für viele Chi­le­nen zum Luxusprodukt. Was im Supermarktregal "Honig" heißt und trotzdem billig ist, wurde mit Industriezucker und anderem minderwertigen Süßkram gestreckt.

Überhaupt werden immer mehr hochwertige Nahrungsmittel in Chile hergestellt und angeboten, allerdings noch in einer viel zu teuren Nische. Die Masse (wir sind da nicht außen vor) konsumiert lecker Weißbrot, bunte Zucker- oder Lightgetränke, billig Grillfleisch, Mayo und was sonst noch der Kalorienzufuhr dient. Aber die Vorstellung, dass es nicht schaden kann, sich gut zu ernähren, dass Produkte ohne Chemie und Geschmacksverstärker besser schmecken und gesünder sind, diese Überzeugung ist stark im Kommen und wurzelt gleichzeitig in der traditionellen chilenischen Küche, die rustikal daherkommt, aber auf gute Zutaten Wert legt und nicht mit der rein fleischbasierten parrillada- und Sandwichkultur verwechselt werden darf.

In Santiago, unweit des Präsidentenpalastes, gibt es einen kleinen, schick de­sign­ten Laden namens "Sabores del Campo". Verkauft werden hier unter sel­bi­gem Markennamen mehrere hundert Produkte aus ländlichen Kleinbetrieben, die mit Förderung durch das staatliche Institut für Landwirtschaftliche Entwicklung (INDAP) Gourmetprodukte aus heimischen Zutaten entwickeln: von hand­ge­press­ten Olivenölen über Konfitüren aus Kaktusfeigen bis hin zu ma­ri­nier­ten pa­ta­go­ni­schen Lammkoteletts. Das Feinschmecker-Potzenzial ist auf je­den Fall vor­han­den, zumal in einem Land, in dem Limonen und Melonen ebenso rei­fen wie Kas­ta­nien, Blaubeeren und Rhabarber. Von den traditionellen land­wirt­schaft­li­chen Ex­port­pro­duk­ten mal ganz abgesehen.

Die - in erster Linie Äpfel, Birnen, Trauben und Wein - machten 2008 schon knapp 20 Prozent aller Exporte aus (Bergbau: 60 Prozent, Forstwirtschaft: 8 Prozent). Erwartet wird in diesem und im kommenden Jahr eine Schrumpfung der Bergbau-Exporte bei weiterem Wachstum der Lebensmittelausfuhren, die dann im Jahr 2010 schon bei 30 Prozent lägen. Grund genug für die Regierung, von Chile als einer potencia alimentaria zu sprechen. Eine echte Ernährungs-Großmacht sieht frei­lich anders aus - und hätte das soeben mit Getöse zusammengebrochene Ge­schäft mit dem Lachs ein wenig verantwortungsvoller betrieben. Seit ein paar Tagen ist übrigens ein vor Ort entwickelter Impfstoff gegen die das Lachs­virus ISA zugelassen, die Industrie verbreitet schon wieder Optimismus. Wenn so weiter­gemacht wird wie bisher, dürfte das nächste Fisch-Desaster aber nicht lange auf sich warten lassen.

SchriftgradMangold, Möhren, Mandarinen: Frisches Obst und Gemüse gibt's in Chile an jeder Ecke.

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