Schade. "Dawson - Isla 10", Miguel Littíns Film über das Konzentrationslager, das Pinochets Junta für hochrangige Politiker der Unidad Popular auf einer patagonischen Insel einrichtete, enttäuscht die Erwartungen. Und die waren hoch, denn noch gibt es nicht viele Filme, die die dramatischen Ereignisse rund um den Putsch von 1973 erzählen. Außerdem ist Littín so etwas wie der Altmeister des chilenischen Films und ein einsamer dazu - zwischen ihm und den vielen Jungfilmern, die heute dank einer vergleichsweise generösen Förderung ein Debüt nach dem anderen abliefern, klafft eine große, leere Lücke.

Littín zeigt sorgfältig komponierte, am Originalort gedrehte Bilder, aber es gelingt ihm nicht im Geringsten, eine realistische Stimmung des Lagerlebens zu zeichnen. Da stecken fünfzig Männer in einer Häftlingsbaracke, die gerade eben noch leidenschaftlich Politik gemacht haben, die man gewaltsam aus einer der dramatischsten Phase der chilenischen Geschichte gerissen hat - aber sie schlurfen apathisch, ja autistisch herum, als verbrächten sie schon Jahre in der Isolation. Nur einmal gibt es Streit um irgendeine Lappalie, und plötzlich stehen sich Sozialisten, Kommunisten und Miristas hasserfüllt gegenüber und raufen wie die Schuljungen. Mit einem derart simplen Dreh werden schnell auch noch die ideologischen Verwerfungen innerhalb der verhinderten Revolutionäre abgehakt.
Absolut erfreulich und sehendswert ist dagegen "La Nana", ein Film von Sebastián Silva, der auf dem Sundance Festival 2009 den Großen Preis der Jury in der Kategorie "World Cinema Dramatic" erhielt. Eine vollkommen verdiente Auszeichnung, denn Silvas psycho- und soziologische Studie setzt neue Maßstäbe des Realismus im chilenischen Film, der traditionell zu Stilisierungen neigt. "La Nana" ("The Maid" auf englisch, obwohl die Bezeichung für die chilenischen Hausmädchen an das englische "Nanny" angelehnt ist) seziert den Alltag einer Hausangestellten, die seit mehr als zwanzig Jahren in einer Familie der chilenischen Upper-Class lebt. Die nana puertas adentro, das Dienstmädchen, das mit den Arbeitgebern im selben Haus wohnt, ist auch heute noch häufig in den besseren Vierteln Santiagos anzutreffen - auch wenn immer weniger Chileninnen und immer mehr Peruanerinnen diesen Job erledigen.

Für die Chilenen wirkt dieser Blick auf ein sehr reales gesellschaftliches Phänomen bestürzend authentisch. Das kommt vielleicht auch daher, dass der 30-jährige Silva die "Nana" stark an seine eigene nana angelehnt hat. Auf alle Fälle ein extrem erhellender, aufklärerischer Film, von dessen Art Chile noch viele braucht.
Bilder: Dawson - Isla 10 und Sundance Festival 2009