Freitag, 18. September 2009

Rhythmisches Schlurfen in blauweißrot

Und wieder dieciocho. Vor dem Nationalfeiertag, der für viele Chilenen gleich eine ganze Woche dauert, wird überall blauweißrot geflaggt, in Fenstern und Gärten, an Läden, auf Hochhäusern. Die Kinder haben sich für die Schule verkleidet, J. mit manta und Strohhut vom letzten Jahr, B. mit nagelneuem huaso-Outfit. Sporen wollte er auch noch tragen, aber irgendwo muss Schluss sein. Im Kindergarten wurden auf dem Elektrogrill anticuchos gebraten, und S. musste in ihrer Schule einen nicht enden wollenden cueca-Wettbewerb überstehen.

A propos cueca - mir bot man einen Tanzkurs an, und ich lehnte nicht ab. Etwas chilenischeres als den halb gesprungenen, halb gestampften Balz-Tanz gibt es kaum, da kann es nicht schaden, sich ein wenig auszukennen. Für die Tanzstunden hatte man ein paar Freunde zusammengetrommelt, die sich unter Anleitung eines professionellen Folkloretänzers in einem Second-Hand-Modeladen trafen. Schon bei den ersten Schritten zwischen den Kleiderständern lernte ich: 1. cueca-Tanzen ist gar nicht so dröge, wie ich dachte, sondern - je nachdem, wie man es betreibt - recht sexy. 2. cueca-Tanzen ist so schwierig, weil zu dem anspruchsvollen, synkopierten Rhythmus eine Choregrafie gehört, die genauen Regeln folgt und exakt mit der Musik übereinstimmen muss. 3. Viele Chilenen sind beim cueca-Tanzen genauso unbeholfen wie unsereiner.

Nach ein paar Stunden ging das halbmond-, schleifen- und kreisförmige Schlurfen und Springen schon ganz gut. Nur das obligatorische Taschentuch zum Herumwedeln hatte ich jedesmal vergessen und musste mal mit einer Strickmütze aus dem Ladenbestand, mal mit einem Tempotaschentuch vorlieb nehmen. Eine interessante Variante: wenn im Eifer des Gefechts die (Papier-)Fetzen fliegen.

Diesen Post schreibe ich freilich in Argentinien, wohin wir kurz vor dem Feiertag geflohen sind - nicht vor den vielen Flaggen oder der cueca, sondern vor dem anhaltend schlechten Wetter.

PS: Etwas Nettes zum dieciocho hat sich die Onlineredaktion der "Tercera" ausgedacht: "Audiofotos", sprich mit O-Tönen unterlegte Fotostrecken. Es geht um National-Ikonen wie Papierdrachen, Empanadas, Chamantos und das Rayuela-Spiel. Anklicken lohnt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen