Ein seltsames Privileg, das wir in Chile genießen, ist die Tatsache, dass wir uns bis zu einem gewissen Grad quer zur sozialen Hierarchie bewegen können. So fühlt es sich zumindest in Santiago an, wo S. und ich vor vielen Jahren in sehr armen Vierteln gelebt und gearbeitet haben. Dort haben wir auch, um es einmal altmodisch auszudrücken, Freundschaften fürs Leben geschlossen. Sicher, unsere Freunde haben die ökonomischen und intellektuellen Begrenzungen, die Armut bedeutet, durchbrochen, die meisten von ihnen leben heute in relativ gesicherten Verhältnissen, haben studiert, sind gereist. Etliche, die seinerzeit in einer der unzähligen NGOs soziale Arbeit leisteten, sind inzwischen bei staatlichen Einrichtungen untergekommen, die sich in ähnlicher Weise engagieren. Reich sind sie damit natürlich nicht geworden, und viele leben und arbeiten weiterhin in Bezirken, die man in Deutschland wohl als "soziale Brennpunkte" bezeichnen würde.
Weil unser aktueller Aufenthalt in Chile unter gänzlich verschiedenen Vorzeichen stattfindet, hat sich uns aber auch die andere Welt erschlossen, die der Reichenviertel, der Chilenen aus besseren Familien, der Deutschen mit gut dotierten Arbeitsverträgen. De Plaza Italia pa'rriba wohnen diese Menschen in Santiago, von der Plaza Italia aufwärts - wobei "aufwärts" sich tatsächlich in Höhenmetern bemisst. Hier oben, in Las Condes oder Vitacura, ist alles anders als unten in Recoleta oder Cerro Navia. Statt Staub zu schlucken, atmet man eine weiche, aromatische Luft, besonders an warmen Abenden, wenn die Rasensprenger der großen grünen Gärten leise ticken. Geländegängige Fahrzeuge rollen weich über schlaglochfreie Straßen und verschwinden lautlos in Tiefgaragen, auf den Spielplätzen toben die Kinder über allerlei originelles Gerät, das, nebenbei bemerkt, großteils von einer Firma aus Berlin-Reinickendorf stammt. "Unten" darf man schon dankbar sein, wenn die windschiefe Rutsche nicht durchgerostet ist.
Natürlich kreisen auch die Gespräche hier und dort um unterschiedliche Themen - bzw. um unterschiedliche Aspekte derselben Themen: Oben tauscht man Tipps aus, wo man gute und billige Haushälterinnen oder Gärtner bekommt, unten, wo man einen einigermaßen spendablen patrón findet. Wer unten ins "Zentrum" geht, meint das tatsächlich so, wer's oben sagt, bezieht sich meist auf einen der Büro- und Shopping-Cluster in der Oberstadt, wo man der Plebs erst gar nicht begegnet. Undsoweiter. Wir für unseren Teil switchen hin und her, gehen am Sonntag erst "unten" auf den Straßen-Flohmarkt und später "oben" Sushi essen.
Trotz unserer gegenteiligen Sozialisation sind wir nicht ungern in den besseren Vierteln, das Leben fühlt sich hier so leicht an. Und es ist ja immer nur für ein paar Tage, die wir in der Hauptstadt verbringen. Gestern Abend waren wir mit den Kindern auf dem Laternenumzug, den der deutsche evangelische Pastor hier seit Jahren am Martinstag veranstaltet. Eigentlich eine katholische Tradition, aber eben auch eine deutsche. Lauter fröhliche, blonde Kinder, die ihre Lichtlein zum Klang eines Akkordeons durch die stillen, grünen Straßen schaukeln, und am Ende gibt's Martinsgänse aus Hefeteig. Schön. Daran, dass die Bettler aus der Martinslegende ein paar Kilometer weiter ganze Viertel bevölkern, sollte man in solchen Augenblicken besser nicht denken. Aber viele der Anwesenden dürften diese Viertel höchstens vom Hörensagen kennen. Und wie sagte der Pastor? "Bettler sind wir am Ende doch alle."
Weil unser aktueller Aufenthalt in Chile unter gänzlich verschiedenen Vorzeichen stattfindet, hat sich uns aber auch die andere Welt erschlossen, die der Reichenviertel, der Chilenen aus besseren Familien, der Deutschen mit gut dotierten Arbeitsverträgen. De Plaza Italia pa'rriba wohnen diese Menschen in Santiago, von der Plaza Italia aufwärts - wobei "aufwärts" sich tatsächlich in Höhenmetern bemisst. Hier oben, in Las Condes oder Vitacura, ist alles anders als unten in Recoleta oder Cerro Navia. Statt Staub zu schlucken, atmet man eine weiche, aromatische Luft, besonders an warmen Abenden, wenn die Rasensprenger der großen grünen Gärten leise ticken. Geländegängige Fahrzeuge rollen weich über schlaglochfreie Straßen und verschwinden lautlos in Tiefgaragen, auf den Spielplätzen toben die Kinder über allerlei originelles Gerät, das, nebenbei bemerkt, großteils von einer Firma aus Berlin-Reinickendorf stammt. "Unten" darf man schon dankbar sein, wenn die windschiefe Rutsche nicht durchgerostet ist.
Natürlich kreisen auch die Gespräche hier und dort um unterschiedliche Themen - bzw. um unterschiedliche Aspekte derselben Themen: Oben tauscht man Tipps aus, wo man gute und billige Haushälterinnen oder Gärtner bekommt, unten, wo man einen einigermaßen spendablen patrón findet. Wer unten ins "Zentrum" geht, meint das tatsächlich so, wer's oben sagt, bezieht sich meist auf einen der Büro- und Shopping-Cluster in der Oberstadt, wo man der Plebs erst gar nicht begegnet. Undsoweiter. Wir für unseren Teil switchen hin und her, gehen am Sonntag erst "unten" auf den Straßen-Flohmarkt und später "oben" Sushi essen.
Trotz unserer gegenteiligen Sozialisation sind wir nicht ungern in den besseren Vierteln, das Leben fühlt sich hier so leicht an. Und es ist ja immer nur für ein paar Tage, die wir in der Hauptstadt verbringen. Gestern Abend waren wir mit den Kindern auf dem Laternenumzug, den der deutsche evangelische Pastor hier seit Jahren am Martinstag veranstaltet. Eigentlich eine katholische Tradition, aber eben auch eine deutsche. Lauter fröhliche, blonde Kinder, die ihre Lichtlein zum Klang eines Akkordeons durch die stillen, grünen Straßen schaukeln, und am Ende gibt's Martinsgänse aus Hefeteig. Schön. Daran, dass die Bettler aus der Martinslegende ein paar Kilometer weiter ganze Viertel bevölkern, sollte man in solchen Augenblicken besser nicht denken. Aber viele der Anwesenden dürften diese Viertel höchstens vom Hörensagen kennen. Und wie sagte der Pastor? "Bettler sind wir am Ende doch alle."
Danke Claudius,
AntwortenLöschendas ist ein deiner besten Posts, und Übrigens haben wir gestern eine ähnliche Erfahrung erlebt: Laternenumzug mit Akkordeon, Saxofon und Trompete, um den Wasserturm herum. Sind wir auch Priviligierten? ;-)
L.
Ja, das ist ein sehr interessanter Punkt: Ich frage ich mich auch öfters, was die sozialen Verwerfungen, die wir hier in Chile beobachten und als skandalös empfinden, so grundsätzlich von denen in Teilen Deutschlands unterscheidet. Sicher, hier ist alles ein paar Nummern größer, die Armut und auch der Reichtum. Aber auch als ehemalige Neuköllner haben wir lange genug beobachten können, wie Menschen am Minimum herumvegetieren. Vielleicht nicht am Minimum der Kalorienversorgung - aber es gibt ja noch ein paar mehr Bedürfnisse, und da sieht es in den Berliner "Problembezirken" auch nicht gut aus. Während ein paar Kilometer weiter (oder drei Stockwerke höher, im ausgebauten Dachgeschoss) die Welt recht heile sein kann. Weiß auch nicht, wie ich das abschließend beurteilen soll.
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