Nach so vielen Monaten in einem lateinamerikanischen Land verdrängt man bisweilen, dass man selbst gar nicht dunkelhaarig und -häutig ist, wie die meisten, die einen umgeben – eine, lediglich gefühlte, Mimesis mit dem Mestizentum sozusagen. Die eher unterdurchschnittliche Körpergröße des Autors macht sich in Chile dagegen bezahlt, wo man mit 1,74 Metern leicht über dem Durchschnitt liegt, aber nicht aus dem Rahmen fällt.
Dann kommt man zurück, auf Heimaturlaub. Und hat für ein paar Tage oder auch nur Stunden die Chance, die eigene Welt mit den Augen eines Latinos zu sehen. Schmeichelhaft ist das nicht unbedingt. Der Deutsche, jedenfalls im Winter, jedenfalls in der Berliner S-Bahn, ist groß, massig gar, und trägt auf dem Hals einen blassen Quader, aus dem eine spitze, beinahe dreieckige Nase ragt. Auf dem Kopf trägt er fusselige Haare, oft auch keine. Er redet laut und bedeutsam, bisweilen wichtigtuerisch.
Natürlich sind das Klischees, aber genau so kann man es wahrnehmen, wenn man aus dem sommerheißen Chile in den Berliner Dezember stolpert. Überhaupt: Berlin. So grandios hässlich, wie die Stadt sich auf der Fahrt von Tegel nach Grünau präsentiert, hatte man sie dann doch nicht in Erinnerung. So viel Grau. Das Grau der schmutzigen ICEs, der billigen Lochfassaden. Asphaltgrau, stahlgrau, himmelgrau. Zur Auflockerung die "Alexa" in altrosa. Sexy ist das nicht.
Die Hässlichkeit der Stadt spiegelt sich im abwesenden Blick der S-Bahn-Fahrgäste wider, der teilnahmslos aus dem Fenster geht. Den meisten scheint es nicht gut zu gehen, die Mienen signalisieren Depression oder Angriffslust. Oder dass das hier alles eine Zumutung ist. Am Ostkreuz betrachtet ein älteres französisches Touristenpaar mit mittelmäßigem Interesse die farblich gekennzeichneten Mülleimer. "Verre, papier, plastique ...", zählt der Mann leise auf, als ein jüngerer, mit Basecap und starrem Blick, ihn – "Kannickma?" – unterbricht und beginnt, den Inhalt des Glasabteils nach Pfandgut zu durchwühlen.
Die Jugendlichen in der S-Bahn lachen nicht, sie trinken breitbeinig Bier. Auf dem Bahnsteig wird gierig geraucht, während der Zug einfährt. Noch so ein Klischee: In Chile, möchte man sagen, sind viele Menschen schlechter dran. Aber nicht ganz so abgegessen.
Dann beruhigt man sich, saugt tief die weiche, feuchte Dezemberluft ein ("Na, fahrt ihr in den Schnee?", hatten die Chilenen unisono gefragt) und fühlt sich schon ein bisschen wohler. Die Berliner Wintermelancholie ist ja auch etwas zutiefst Vertrautes. In den Nebenstraßen am Stadtrand ist es sehr dunkel, sehr einsam und sehr still, kein Hundekläffen ist zu hören und kein Reggaeton. Das werden besinnliche Tage.
PS: In den kommenden Wochen wird das Blog auf Sparflamme gesetzt. Mitte Januar geht es zurück nach Chile und weiter im Text.
Dann kommt man zurück, auf Heimaturlaub. Und hat für ein paar Tage oder auch nur Stunden die Chance, die eigene Welt mit den Augen eines Latinos zu sehen. Schmeichelhaft ist das nicht unbedingt. Der Deutsche, jedenfalls im Winter, jedenfalls in der Berliner S-Bahn, ist groß, massig gar, und trägt auf dem Hals einen blassen Quader, aus dem eine spitze, beinahe dreieckige Nase ragt. Auf dem Kopf trägt er fusselige Haare, oft auch keine. Er redet laut und bedeutsam, bisweilen wichtigtuerisch.
Natürlich sind das Klischees, aber genau so kann man es wahrnehmen, wenn man aus dem sommerheißen Chile in den Berliner Dezember stolpert. Überhaupt: Berlin. So grandios hässlich, wie die Stadt sich auf der Fahrt von Tegel nach Grünau präsentiert, hatte man sie dann doch nicht in Erinnerung. So viel Grau. Das Grau der schmutzigen ICEs, der billigen Lochfassaden. Asphaltgrau, stahlgrau, himmelgrau. Zur Auflockerung die "Alexa" in altrosa. Sexy ist das nicht.
Die Hässlichkeit der Stadt spiegelt sich im abwesenden Blick der S-Bahn-Fahrgäste wider, der teilnahmslos aus dem Fenster geht. Den meisten scheint es nicht gut zu gehen, die Mienen signalisieren Depression oder Angriffslust. Oder dass das hier alles eine Zumutung ist. Am Ostkreuz betrachtet ein älteres französisches Touristenpaar mit mittelmäßigem Interesse die farblich gekennzeichneten Mülleimer. "Verre, papier, plastique ...", zählt der Mann leise auf, als ein jüngerer, mit Basecap und starrem Blick, ihn – "Kannickma?" – unterbricht und beginnt, den Inhalt des Glasabteils nach Pfandgut zu durchwühlen.
Die Jugendlichen in der S-Bahn lachen nicht, sie trinken breitbeinig Bier. Auf dem Bahnsteig wird gierig geraucht, während der Zug einfährt. Noch so ein Klischee: In Chile, möchte man sagen, sind viele Menschen schlechter dran. Aber nicht ganz so abgegessen.
Dann beruhigt man sich, saugt tief die weiche, feuchte Dezemberluft ein ("Na, fahrt ihr in den Schnee?", hatten die Chilenen unisono gefragt) und fühlt sich schon ein bisschen wohler. Die Berliner Wintermelancholie ist ja auch etwas zutiefst Vertrautes. In den Nebenstraßen am Stadtrand ist es sehr dunkel, sehr einsam und sehr still, kein Hundekläffen ist zu hören und kein Reggaeton. Das werden besinnliche Tage.
PS: In den kommenden Wochen wird das Blog auf Sparflamme gesetzt. Mitte Januar geht es zurück nach Chile und weiter im Text.
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