Mittwoch, 18. Februar 2009

Che Martín

Der Weg schlängelt sich zwischen niedrigen Hügeln hindurch, die wenig von der Nähe der Kordillere künden, und fällt dann steiler ab, um schließlich ins Dorf zu münden. San Martín ist trist und hässlich, aber von großartigen, dicht bewaldeten Hängen eingerahmt. Es blickt auf die lange, schmale Wasserzunge des Lago Lácar mit seinem tiefen Blau und dem Hellgrün der Ufer. An dem Tag, an dem er für den Tourismus "entdeckt" wurde, hat der Ort über alle Widrigkeiten des Klimas und der Abgeschiedenheit triumphiert.

Zitat Ende. Denn selbiges schrieb Ernesto Guevara, der "Che", im Januar 1952 in jenes Tagebuch, das vor ein paar Jahren mit einigem Erfolg und dem großartigen Gael García Bernal in der Hauptrolle unter dem Titel Diarios de Motocicleta verfilmt wurde. Heute stimmt diese Beschreibung nicht mehr, jedenfalls nicht jener Teil, der sich auf den Ort San Martín bezieht. San Martín de los Andes am östlichen Ende des langgestreckten Lago Lácar hat sich in den seither vergangenen fünfzig Jahren zu einem 20.000-Einwohner-Städtchen gemausert, das vom Tourismus Besserbetuchter lebt, und zwar nicht schlecht.

Im Grunde genommen ist San Martín so, wie unser chilenischer Nachbarort Puerto Varas gerne wäre: klein und fein, grün und ruhig, hochwertige Läden in rustikaler Outdoor-Architektur, Seepromenade mit bunten Bötchen, ein exquisites Skigebiet um die Ecke. Für Naturliebhaber mit Anspruch ein Muss.

Den einzigen Kontrapunkt in diesem geleckten Ensemble bildet ausgerechnet das Che Guevara gewidmete Museum, welches die Gewerkschaft der argentinischen Staatsangestellten ATE vergangenes Jahr eröffnet hat. La Pastera heißt es, der "Heuboden", denn es handelt sich um exakt jene Scheune, in der Ernesto und sein Freund Alberto Granado Ende Januar 1952 ein paarmal nächtigten, bevor sie die Weiterreise gen Chile antraten. Der Nachtwächter, der die Einrichtungen der damals im Aufbau befindlichen Nationalparkverwaltung kontrollierte, ließ die beiden Frierenden ein und verwöhnte sie mit Rotwein und Anekdoten.

Sicherlich ist das mit Multimedia-Elementen angereicherte kleine Museum wenig mehr als eine Hommage an den bekanntesten Argentinier der Welt, der sich selbst, das räumt die Frau, die uns durch die Ausstellung führt, ein, am Ende eher als Kubaner verstand. Aber es verleiht San Martín historischen Mehrwert, auch im Sinne des Denkmalschutzes: Ohne den Einsatz der ATE wären die pastera und ein paar andere Wirtschaftsgebäude des Nationalparks längst abgerissen worden. Jetzt, sorgfältig renoviert, dokumentieren sie die Anfangszeit der jungen Stadt. Che sei Dank.

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