Was genau diese beiden Herren besprechen, eignet sich hier nicht als Thema. Der Dialog soll auch nur illustrieren, dass das chilenische Spanisch zu beachtlichen Anteilen aus garabatos besteht, Unflätigkeiten und Schweinereien, die sich, wie wohl überall auf der Welt, aus zwei Wortfeldern rekrutieren: Reproduktion und Ausscheidung.
Das mit Abstand unverzichtbarste chilenische Wort, das man aus jedem beliebigen Dialog auf der Straße erhorchen kann, lautet huevón. Praktisch unübersetzbar, beschreibt es im Grundsatz eine männliche Person mit überdurchschnittlich ausgebildeten Gonaden, sprich: Hoden. Was man andernorts möglicherweise als Kompliment verstehen würde, ist in Chile - wiederum im Grundsatz - beleidigend gemeint. Wahrscheinlich, weil eine derartige Attribuierung umgekehrt auf mäßig entwickelte Intelligenz verweist.
Merkwürdigerweise führt der huevón aber ein Doppelleben, denn obwohl er sich auch weiterhin als kolossale Beschimpfung eignet (dem deutschen "Arschloch" vergleichbar), fungiert er in der Kommunikation unter Freunden als inflationär gebrauchte Ansprache, die, je nach Intonation und Situation, sogar liebevoll klingen kann. Zusammen mit Ableitungen wie dem sächlichen huevá (was im Prinzip alles sein kann, nur eben keine Person) und dem Verb huevear (dessen Bedeutung je nach Kontext zwischen "auf die Nerven gehen" und "Spaß haben" oszilliert) kann man mit dieser Wortfamilie schon ein halbes Gespräch bestreiten: ¡Como huevea con la huevá ese huevón! Erstaunlicherweise verwenden auch Frauen das Kosewort - untereinander.
Für Anderssprachige kaum nachvollziehbar ist die Allgegenwart von Begriffen wie puta (Nutte), chucha (Möse), pico (Schwanz), cagar (scheißen) oder culear (ficken). Oft sind diese Wörter so in die Alltagssprache eingeschliffen - etwa als reine Interjektionen -, dass die Sprecher und Sprecherinnen sie gar nicht mehr als anstößig empfinden ¡Chucha! ruft etwa auch der, dem gerade ein Band der Königlich Spanischen Sprachakademie auf den großen Zeh gefallen ist. Oft ist es einfach eine Frage des Tonfalls. Natürlich gibt es Kreise, in denen die Verwendung solcher Vokabeln geächtet ist - wenn Außenstehende mithören. Hinter den Kulissen finden groserías und allerlei Doppeldeutigkeiten klassen-, generationen- und sogar geschlechterübergreifend Verwendung.
Dass dreckige Witze ein chilenischer Volkssport sind, musste vor ein paar Jahren die brasilianische Sängerin Xuxa (was ausgesprochen so ähnlich klingt wie chucha) bei einem Auftritt in Viña del Mar erleben. Als sie mit dem Festivalpublikum den Refrain ihres alten Gassenhauers "Ilariê" probte, scholl ihr etwas entgegen, was sie nicht verstand. Statt "O-O-O" brüllten alle ... aber das zu übersetzen ginge jetzt wirklich zu weit.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen