Mittwoch, 22. April 2009

Estaquilla

Der direkte Weg von Puerto Montt ans Meer ist beschwerlich. Zwar sind es bis zum Ufer der großen Reloncaví-Bucht nur ein paar Minuten, aber der offene Pazifik mit seinen grandiosen Wellen ist auf diesem Breitengrad wenig erschlossen. Des­halb hat es auch über ein Jahr gedauert, bis wir nach Estaquilla gefahren sind - im­mer nach Westen, erst eine Stunde über Asphalt, dann eine weitere über Schot­ter­straßen.

Caleta Estaquilla ist ein winziges Nest zwischen Steilküste und Strand, vielleicht hundert oder hundertfünfzig Menschen leben mehr schlecht als recht von Fisch­fang und Algenernte. Die luga-Alge, die man hier in großen Mengen aus dem Meer holt und am Strand trocknet, wird exportiert und dient andernorts der Her­stel­lung von Carrageen, einem Gelier- und Verdickungsmittel für Ba­by­nah­rung, Mar­me­laden oder Zahnpasta.

Der Küstenstrich rund um Estaquilla ist einsam und touristisch gänzlich un­er­schlos­sen. Trotzdem ist die Landschaft kaum noch ursprünglich: Der alte Baum­be­stand auf den grünen Hügeln ist vielerorts längst gerodet, nur an den un­zu­gäng­licheren Stellen der schmalen Flusstäler wächst noch wilder Urwald. Viel gibt der Boden nicht her, die Kleinbauern, auf deren Höfe man alle paar Kilometer stößt, betreiben extensive Viehwirtschaft. Manchmal weiden die Kühe auch in der Düne, wie in Hua-Huar. Der riesige Sandstrand, der sich im Küstennebel verliert, ist völlig men­schen­leer, die Piste, die ihn erschließt, nur mit Mühe zu befahren. Das Handy hat längst keinen Empfang mehr. Hier unterwegs zu sein ist schön - und gleich­zeitig ein bisschen unheimlich.

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