Der direkte Weg von Puerto Montt ans Meer ist beschwerlich. Zwar sind es bis zum Ufer der großen Reloncaví-Bucht nur ein paar Minuten, aber der offene Pazifik mit seinen grandiosen Wellen ist auf diesem Breitengrad wenig erschlossen. Deshalb hat es auch über ein Jahr gedauert, bis wir nach Estaquilla gefahren sind - immer nach Westen, erst eine Stunde über Asphalt, dann eine weitere über Schotterstraßen.
Caleta Estaquilla ist ein winziges Nest zwischen Steilküste und Strand, vielleicht hundert oder hundertfünfzig Menschen leben mehr schlecht als recht von Fischfang und Algenernte. Die luga-Alge, die man hier in großen Mengen aus dem Meer holt und am Strand trocknet, wird exportiert und dient andernorts der Herstellung von Carrageen, einem Gelier- und Verdickungsmittel für Babynahrung, Marmeladen oder Zahnpasta.
Der Küstenstrich rund um Estaquilla ist einsam und touristisch gänzlich unerschlossen. Trotzdem ist die Landschaft kaum noch ursprünglich: Der alte Baumbestand auf den grünen Hügeln ist vielerorts längst gerodet, nur an den unzugänglicheren Stellen der schmalen Flusstäler wächst noch wilder Urwald. Viel gibt der Boden nicht her, die Kleinbauern, auf deren Höfe man alle paar Kilometer stößt, betreiben extensive Viehwirtschaft. Manchmal weiden die Kühe auch in der Düne, wie in Hua-Huar. Der riesige Sandstrand, der sich im Küstennebel verliert, ist völlig menschenleer, die Piste, die ihn erschließt, nur mit Mühe zu befahren. Das Handy hat längst keinen Empfang mehr. Hier unterwegs zu sein ist schön - und gleichzeitig ein bisschen unheimlich.
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