Mit der Zeit haben wir gewisse Rituale für unsere Kurzurlaube in Santiago entwickelt. Eins davon ist der Flohmarkt-Besuch. Santiago ist ein Paradies für Flohmarkt-Fans, auch wenn sich viele der Fundgruben in marginalen Stadtteilen auftun, die Besucher ohne Orts- oder gar Sprachkenntnis besser meiden sollten. Mercado persa nennen die Chilenen ihre Straßenflohmärkte oder einfach persa, und ein bisschen passt das schon, denn wie in einem orientalischen Suq erstrecken sie sich über ganze Viertel, auch wenn die mehr oder minder primitiven Stände mitsamt Sonnensegel am Nachmittag wieder abgebaut werden.
Nicht dass man auf dem persa großartige Entdeckungen machen könnte - wertvolle Autographen gibt es hier ebenso wenig wie filigranes Kunsthandwerk. Trotzdem findet sich in diesen unglaublichen Sammelsurien immer irgendetwas Interessantes: Vorhängeschlösser, ein Brennglas, Rohrzangen, Pumps, ein wiederbefüllter Feuerlöscher, Wellensittiche, alte Münzen, Sprungfedern, ein Atari-Computer, Briefbeschwerer, das Plastikfiguren-Sortiment aus dem Happy Meal vom letzten Frühjahr, Push-up-BHs, Weltliteratur, Kuhhörner und eine Kiste voll Schwangerschaftstests mit überschrittenem Verfallsdatum. Dazu unendlich viele Menschen, streunende Hunde, Lärm und Hitze - es ist großartig.
Vieles ist Ausschuss ärmlichster Lebensbedingungen und liegt nur auf Tüchern am Boden, aber selten hat man den Eindruck, dass hier bloß Müll verkauft wird. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass man seine Erwartungshaltung den Umständen entsprechend herunterschraubt.
Hat man ein wenig geguckt und gefeilscht und vielleicht sogar irgendetwas Überflüssiges für einen lächerlichen Preis gekauft, ist es Zeit für den fabelhaftesten und erfrischendsten Snack der Welt: mote con huesillos. Niemand weiß genau, wem wann der sonderbare Einfall kam, getrocknete Pfirsiche zu einer Art Kaltschale aufzukochen und eisgekühlt in einem Glas zu servieren, das man vorher zur Hälfte mit Graupen gefüllt hat. Genau: Weizengraupen, die leicht seifig schmecken und beim Kauen ein wenig zwischen den Zähnen quietschen. Aber die Mischung ist umwerfend. Man kann mote con huesillos auch in der Fußgängerzone im Zentrum trinken (bzw. essen), aber auf einer wackeligen Holzbank das Menschengewimmel des persa an sich vorbeiziehen zu lassen und dem mote-Mann zuzuschauen, wie er den Saft mit einer Kelle aus einem tiefen Topf wie aus einem kühlen Brunnen schöpft, ist einfach grandios.
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