Montag, 29. Juni 2009

Vatertag


Der Chilene, das hat eine Umfrage der Zeitung La Tercera ergeben, will kein Macho mehr sein. Hier ein paar Zahlen:

76 Prozent der befragten Männer finden nicht, dass Hausarbeit reine Frauensache ist (schon einmal gebügelt hat aber nur die Hälfte),
74 Prozent sind der Ansicht, dass Verhütung und Familienplanung auch den Mann etwas angehen,
69 Prozent meinen, dass eine verheiratete Frau durchaus auch Männer als Freunde haben darf,
aber nur 14 Prozent würden behaupten, dass eine Frau ihrem Ehemann nie widersprechen darf.

Sicher: Da ist noch mehr drin.

Aufschlussreich ist die Befragung in Bezug auf die sozioökonomische Verteilung der Einstellungen. Je wohlhabender (und jünger), desto liberaler, je ärmer (und älter), desto konservativer sind Chiles Männer in Sachen Ge­schlech­ter­ge­rech­tigkeit. Aber das dürfte auch anderswo so sein.

An der Montessori-Schule, die B. und J. besuchen, bewegen wir uns ver­gleichs­wei­se auf extrem liberalem und politisch progressivem Terrain. Trotzdem wird der día del padre nicht nur hier gebührend gefeiert, es gibt landesweit denselben Bohei wie um den Muttertag, was natürlich auch aufs Konto des Einzelhandels geht.

Mir haben die beiden Söhne weder einen Werkzeugkasten noch ein Grillbesteck geschenkt, dafür Basteleien und unvergessliche Augenblicke. J. hat bunt an­ge­mal­te Farfalle-Nudeln um ein Foto von sich geklebt (eine auch in Berliner Kitas ver­brei­tete Technik), Stullen geschmiert und ein Gedicht in der Gruppe aufgesagt. B.s Klasse hat, ihrem Alter entsprechend, ein anspruchsvolleres Programm auf die Beine gestellt.

Gekommen sind praktisch alle Väter, auf Arbeit ist gerade Mittagspause. Die Mütter am Muttertag waren schon um 11 Uhr vormittags eingeladen. Nacheinander tragen die Jungen und Mädchen Gedichte und Lieder vor, die mit großem Applaus quittiert werden. B.s Gedicht lautet auszugsweise so:

Papacito lindo de mi corazón,
soy el doble tuyo
y tu eres mi orgullo
y me llenas de amor.

Dann werden die Geschenke überreicht: Die Kinder haben in den vergangenen Tagen eifrig Skulpturen aus Pappmaschee gebastelt, welche die Vorlieben oder Hobbys der Väter symbolisieren. Francos Vater ist Polizist (und in Uniform erschienen), er bekommt ein großes "U", das für einen populären Fußballverein steht. Sofías Vater trägt Glatze und Piercing, er bekommt etwas Quadratisches mit der Aufschrift "Pink Floyd" ("Eigentlich höre ich ja Rammstein, aber Sofía wusste wohl nicht, wie man das schreibt", sagt er anschließend). Es gibt Gitarren, die aussehen wie Tennissschläger, und umgekehrt. Ich bekomme einen Teller mit Essen, natürlich auch aus Pappe.

Den krönenden Abschluss bildet ein Playbackkonzert. Franco macht den Sänger, Inti den Gitarristen, Alonso hält den Bass, ein paar andere sind die Rhyth­mus­gruppe. B. steht am Keyboard. Gespielt wird "Que nadie se entere", eine Cumbia der Gruppe "La Noche", die in den vergangenen Sommern einige Hits und bei der letzten Teletón einen großen Auftritt hatte. Das Lied stammt vom Album "Amor entre sábanas" (Liebe zwischen Bettlaken) und geht so:

Nadie nunca se enterará
en ese cuarto de hotel
que nos amamos los dos
juntos al amanecer.

Y no le digas jamás
a tu hombre ni a mi mujer
que el mundo no entenderá
que nos deseamos (...)

Una otra y otra vez
que nadie se entere
a escondidas devorarnos de placer.

Una otra y otra vez
que nadie se entere
nuestra reunión será un secreto dulce miel.

Benjamin trällert es jetzt immer beim Autofahren. Verstanden hat er es natürlich von allen Beteiligten am wenigsten. Immerhin - das abschließend zum Thema machismo - beschreibt der Song eine einvernehmliche, sprich: gleichberechtigte Sexualhandlung, sprich: Seitensprung.

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