Dienstag, 19. August 2008

Tod einer Sozialistin

Gestern Nachmittag wurde Carmen Lazo auf dem Hauptfriedhof von Santiago zu Grabe getragen. Hunderte begleiteten den Sarg durch die Straßen der Innenstadt, am Friedhof gesellten sich mehrere Minister und andere hochrangige Politiker der Sozialistischen Partei hinzu. Die Sozialistin Carmen Lazo - la negra Lazo, so ihr Spitzname, der auf ihre dunkle Hautarbe anspielte - war am Montagabend im Alter von 87 Jahren auf dem Flughafen von Santiago einem Herzinfarkt erlegen, nachdem sie in La Serena an einer Veranstaltung im Vorfeld der landesweiten Kommunalwahlen teilgenommen hatte.

Viel zu hören war in den letzten Jahrzehnten nicht von Carmen Lazo, aber sie war ein fester Bestandteil des politischen Inventars Chiles - das, was man gerne auch "Urgestein" nennt. 1920 am Rande der Kupfermine von Chuquicamata geboren, trat sie mit 13 Jahren der Sozialistischen Jugend bei - also 1933. Seitdem hat sie ununterbrochen für die Partei gelebt und gekämpft, acht Jahre lang als Kongressabgeordnete, bis zum Putsch im Jahr 1973. Sie verbrachte 14 Jahre im venezolanischen Exil, kehrte zurück und versuchte noch zweimal, wieder ins Parlament einzuziehen, allerdings ohne Erfolg. Wie man sich eine Mittachtzigerin vorzustellen hat, die großmütterlich-würdevoll über ihre unverbrüchliche Treue zu den sozialistischen Idealen spricht, zeigt dieser Ausschnitt aus einem erst vor kurzem geführten Interview.



An der Totenwache hatten auch Präsidentin Michelle Bachelet und die gesamte sozialistische Prominenz teilgenommen, und hier, am offenen Sarg der negra Lazo, stießen noch einmal zwei Welten zusammen: die der sozialistischen Traditionen, der erhobenen Fäuste und Gesänge, und die der regierenden Pragmatiker, die ihren Frieden mit einem System gemacht haben, das allen politischen Zielen der Arbeiterbewegung Hohn spricht - der amtierenden Realsozialisten, wenn man so will. In diesem kleinen Video sieht man alle gemeinsam die "sozialistische Marsellaise" singen, die offizielle Hymne der Partei:

Contra el presente vergonzante
el socialismo surge ya.
Salvación, realidad liberante,
que ha fundido en crisol la verdad,
que ha fundido en crisol la verdad.

Sellaremos con sangre en la historia,
nuestra huella pujante y triunfal.
El Partido dará a los que luchan
digno ejemplo de acción contra el mal.

Socialistas a luchar,
resueltos a vencer,
fervor, acción hasta triunfar
nuestra revolución.

Arriba el socialismo obrero,
que es nuestra liberación.

Militantes puros y sinceros,
prometamos jamás desertar,
prometamos jamás desertar
Reafirmemos la fe socialista,
que es deber sin descanso luchar
contra el pulpo del imperialismo,
que a los pueblos desea atrapar.

Socialistas a luchar, resueltos a vencer,
fervor, acción hasta triunfar
nuestra revolución.

Ich will das jetzt nicht alles übersetzen, besonders schön ist aber die Stelle mit dem pulpo del imperialismo: Die Pflicht der Sozialisten, heißt es da, sei der unermüdliche Kampf gegen den "Kraken des Imperialismus", der die Völker einzufangen trachtet. Manche der Sänger müssen da wohl aufpassen, dass sich ihnen die Zunge nicht verknotet wie ein Krakententakel. Andererseits: Wenn auf heutigen SPD-Parteitagen "Brüder zur Sonne" angestimmt wird, ist das auch nicht weniger befremdlich.

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