Freitag, 6. März 2009

Shopping und Stoizismus

Der ganz normale Wahnsinn findet in Chile meist beim Einkauf statt. Etwa so:

Diese Woche ist die Milch besonders günstig. Lleve cuatro, pague tres - für drei gekaufte Tetrapaks gibt's ein viertes gratis dazu. Mit 20 Pack stehe ich in der Kassenschlange. Links und rechts stehen auch ganz viele Leute. Und warten. Das Gesetz, dass die eigene Schlange grundsätzlich am langsamsten vorankommt, ist in Chile außer Kraft gesetzt: Hier sind alle Schlangen am langsamsten.

Nach einer Viertelstunde gewinne ich den Eindruck, dass meine Schlange vielleicht doch noch einen Tick langsamer ist als die anderen, auch wenn das den Regeln der Logik widerspricht. Anscheinend klappt etwas nicht bei der Scheckzahlung. Die Kassiererin hat das SOS-Blinklicht betätigt, aber die Kontrolleurin ist gerade anderweitig beschäftigt. Alle Beteiligten warten stoisch, keiner regt sich auf. Nach 20 Minuten wird es mir zu bunt, ich frage nach, fast schon ein Spur zu aggressiv. Tja, das kann noch dauern, sagt die Kassiererin, es gibt ein Problem mit der Dicom. Die Dicom ist die chilenische Schufa, eine Bonitäts-Auskunftei, mit der viele Chilenen auf du und du sind, denn die private Verschuldung ist angesichts der allgegenwärtigen Kundenkredite exorbitant hoch.


Aber ich wollte jetzt eigentlich nur bezahlen, und zwar in bar. Ich schere aus und stelle mich zwei Kassen weiter an, wo gerade etwas Bewegung entstanden ist. Bald ist das Paar vor mir dran, ordentlich gekleidete Leute um die fünfzig, die anscheinend gerade für die ganze Woche eingekauft haben. Vielleicht auch für zwei. Der Wagen ist randvoll mit Lebensmitteln, aber der Scanner funktioniert ausnahmsweise tadellos, der Junge an den Tüten kommt kaum hinterher mit dem Einpacken. Als die Kassiererin den Preis nennt, ist der Kassenbon (den mitzunehmen oberste Kundenpflicht ist) locker einen Meter lang.

Und dann schlägt die Dicom wieder zu. Kein Scheck, keine Karte erkennt das System als gedeckt, auch nicht nach mehrmaligen Versuchen diverser Angestellter. Als die Kassiererin den Stornoknopf drückt, warte ich schon eine gute halbe Stunde. Die Kasse druckt alle Artikel noch einmal mit Minuszeichen aus, dann wird der Zwei-Meter-Bon zusammengerollt und verstaut, das Paar zieht von dannen, um den Wagen kümert sich eine Aushilfe. Und doch ist kein einziges lautes Wort gefallen, weder von den Beteiligten, noch von anderen Wartenden. Erstaunlich.

Bei mir geht es dann ganz schnell. Bargeld ist eine großartige Erfindung.

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