Donnerstag, 31. Juli 2008

Mmpf

Ein Erzeugnis mit ausgezeichneten Vermarktungschancen in bestimmten deutschen Landstrichen - was die europäischen Wurstwarenverordnung verhindern möge. Guten Appetit!

Mittwoch, 30. Juli 2008

News-Update

An ausgiebige Zeitungslektüre war im Urlaub nicht zu denken, aber allzu viel ist auch nicht passiert. In der Hauptsache sind ein paar Leute nass geworden, und zwar nicht nur wetterbedingt.



Einen Krug Wasser ins Gesicht bekam Bildungsministerin Mónica Jiménez von der Oberstufenschülerin María Música Sepúlveda, die sich der Politikerin nach einer Veranstaltung genähert hatte, um ihren Unmut über die Zustände im Erziehungswesen loszuwerden - worauf die Ministerin nach Ansicht der Schülerin nicht angemessen reagierte. Der Liter Wasser hat hohe Wellen geschlagen, ob er der anhaltenden Bildungsdebatte gedient oder geschadet hat, ist unklar. Heute hat das Lehrerkollegium von Músicas Schule beschlossen, dass das Mädchen mit dem Pippi-Langstrumpf-Gesicht zum kommenden Schuljahr die Einrichtung verlassen muss. Morgen wollen ihre Freunde und hunderte andere Schüler dagegen protestieren. Auch von dieser Kundgebung werden voraussichtlich viele durchnässt nach Hause kommen.


Mit Eiern beworfen wurden vor ein paar Tagen mehrere linke Stadtverordnete des Schickeria-Badeorts Viña del Mar - von rasenden Anhängerinnen, möglicherweise auch Mitarbeiterinnen der rechten Bürgermeisterin Virginia Reginato. Die Geschichte dahinter ist recht merkwürdig: Ende Oktober finden in ganz Chile Kommunalwahlen statt, und dabei tritt eine Verordnung in Kraft, die verlangt, dass Kandidaten für leitende Ämter die zwölfte Klasse abgeschlossen haben, also eine komplette Schulkarriere vorweisen können. Damit haben jetzt an die drei Dutzend amtierende Bürgermeister von links bis rechts ein Problem. Auch Virginia Reginato, die zwar die entsprechenden Papiere besitzt, an deren rechtmäßigem Erwerb aber starke Zweifel bestehen. Bezeichnend bei den Protestszenen: Die Polizei schützte zwar die Angegriffenen, beließ es aber dabei, den Dauerwellen-Mob sacht abzudrängen. Wären die Angreifer jung, männlich oder gar links gewesen, hätten die Ordnungskräfte mit Sicherheit ihre Knüppel kreisen lassen.

Schweissnass vor Aufregung sind derweil alle Technikfreaks, deren Etat ausreicht, um sich in ein paar Wochen das neue iPhone 3G zu leisten. Dann kommt das Apple-Wunderwerk nämlich erstmalig nach Chile, die Vorgängermodelle hatten es nicht über die Anden geschafft. Vertrieben wird es hier vom Anbieter Claro, einem chilenischen Ableger von América Móvil - dem Konzern des mexikanischen Unternehmers Carlos Slim, der zurzeit als reichster Mann der Welt gilt. Der Run auf die chilenischen iPhones wird Slims Vermögen nur marginal vermehren, aber bald werden auch hier stolze und glückliche Menschen die glatte Oberfläche ihres Handys streicheln.

Dienstag, 29. Juli 2008

Reise-Nachlese

Am Anfang stand eine Überraschung: Michael Ballack schreibt fehlerfreies Spanisch!

Auch sonst gab auf unserer Reise in den chilenischen Norden manches kleine Detail Anlass zum Wundern, wenn nicht gar zum Lächeln.

Landschaftliche Schönheit genossen wir im Überfluss, ...

... aber auch lebendige Tradition ...

... und modernes städtisches Leben. Die Kabelknoten in Iquique sind tatsächlich noch dicker als die in Puerto Montt.

Gefahren lauerten an jeder Ecke, ...

... ebenso wie die lockenden Sirenengesänge der Heimat.

An Regen war wochenlang nicht zu denken, ...

... weshalb es besonders auf den richtigen Proviant ankam.

Überhaupt: Beim Essen stimmte alles. Von leckeren Schwertfischhäppchen ...

... bis hin zu den besten Tamales von Chile (in Perú).

Sonst gab es meistens Hühnchen.

Alles in allem eine faszinierende, aufregende und doch erholsame Reise, bei der immer ein Gedanke im Mittelpunkt stand: Wir bieten unseren Kindern die einmalige Chance, in eine fremde Kultur einzutauchen.


Montag, 28. Juli 2008

An die Arbeit

Endlich zurück - und in Kürze wird wieder regelmäßig gebloggt. Bald auch an anderer Stelle, aber das wird noch nicht verraten.

Rückflug



Arica - Iquique - Copiapó - Santiago - Concepción - Temuco - Pto. Montt (mit Sky)

Dienstag, 22. Juli 2008

Unterwegs

Iquique - Arica, 20. Juli 2008.

Humberstone


Humberstone ist auf den ersten Blick ein merkwürdiger Name für eine chilenische Stadt - selbst für eine Geisterstadt. Gegründet wurden die Salpeterwerke in der Atacamawüste auch unter dem Namen La Palma. Das war 1872. Später kam der Pazifik- bzw. Salpeterkrieg, und die Werke, die das weltweit für die Herstellung von Sprengstoff und Dünger benötigte Natriumnitrat produzierten, wechselten mehrmals den Besitzer. 1934 wurden die Werke nach ihrem Gründer, dem Engländer James Humberstone benannt: Oficina Santiago Humberstone*. Der Salpeter-Boom, der dem bis heute anhaltenden Kupfer-Boom voranging, befand sich damals auf seinem Höhepunkt, die Ammoniakynthese war bereits erfunden, und schon in den Vierzigerjahren gingen die ersten Salpeterwerke in Chile bankrott. Humberstone, wo in den besten Zeiten an die 2.000 Menschen lebten, hielt bis 1961 durch.

Dann kam - nichts mehr. Die Industrieanlagen verrosteten, die Wüstenstadt aus Holz und Zement, mit kargen Wohnblocks für die Arbeiter und eleganten Häusern für die Verwalter, mit Kirche, Theater und Hotel, Schule, Schwimmbad und Krankenhaus verfiel und wurde geplündert. Ganz aus den Augen war sie freilich nie, denn Humberstone liegt direkt an der Straße nach Iquique, in dessen Hafen ein großer Teil des Nitrats verschifft wurde. Das Bewusstsein für den historischen Wert der toten Stadt wuchs aber nur langsam. Heute wird Humberstone behutsam instandgesetzt, auch mit Mitteln der Unesco, die die Stadt seit 2005 unter der Nummer 1178 als Weltkulturerbe führt.

Wenn man in der selbst im Winter glühendheißen Mittagssonne durch Humberstone streift, erwartet man instinktiv, dass der Wind Büsche über die Straße treibt und irgendwo eine Mundharmonika jault. Aber die Western-Town-Assoziationen täuschen, denn wer hierher kam, hatte wenig Aussicht auf Reichtum. Es gab ja kein Gold zu schürfen, sondern bloß harte Arbeit auf den Salpeterfeldern und an den Maschinen. Reich wurden damit nur wenige, und nicht die, die sich die Haut in der Sonne verbrannten.

Zwei Tage vor uns war die Präsidentin hier, ihr Besuch sollte der Auftakt sein für die Enstehung eines "Tourismus-Clusters" in der Region, der das historische Erbe stärker als bisher einbezieht. Damit stehen die Chancen gut für Humberstone und die benachbarten Santa-Laura-Werke, denn langsam, aber sicher zermahlen Wind und Sonne die Geisterstädte zu Staub. Ein bisschen Verfall kann trotzdem nicht schaden: Ausgerechnet im gewaltigen Theater- und Kinosaal, der sorgfältig saniert wurde, will sich dieses faszinierende Gefühl der stehen gebliebenen Zeit am wenigsten einstellen.

* James = Jakob = Santiago

Unterwegs

San Pedro de Atacama - Iquique, 18. Juli 2008.

Donnerstag, 17. Juli 2008

San Pedro



Vor gerade einmal 20 Jahren war San Pedro de Atacama noch ein Geheimtipp - ein echter Geheimtipp, nicht einer, den sowieso jeder kennt und weiterreicht. S. hat das Dorf aus Lehmziegelhäusern am Rande des Atacama-Salzsees noch in einem Zustand relativer Unschuld kennen gelernt. Dann kam der Tourismus mit Wucht. Heute folgt in den staubigen Straßen von San Pedro Hostel auf Tour-Anbieter und Tour-Anbieter auf Hostel, es ist ein bisschen wie in jener Asterix-Episode, in der das gallische Dorf von römischen Touristen überrannt wird und es bald nur noch "Antiquitäten"- und Fischverkäufer gibt. Gerecht ist der Vergleich aber nicht, denn in San Pedro gibt es auch Restaurants, Internetcafés und Souvenirläden, sowie dann und wann einen Waschservice für die durchgelaufenen Socken der Backpacker.

Ungerecht ist der Vergleich aber auch, weil der Tourismus San Pedro nicht völlig verunstaltet oder gar zerstört hat. Der Bienenschwarm der Reisenden summt zwar das ganze Jahr ohne Pause (im Winter dominieren die Europäer und US-Amerikaner, im Sommer die Chilenen und ihre Nachbarn), aber die Häuser bleiben niedrig und die Atmosphäre erstaunlich entspannt, fast schon verlangsamt - was natürlich auch mit den knapp 2.500 Höhenmetern zu tun haben kann, die das Dorf über dem Meeresspiegel liegt.

Fast alles, was man von San Perdro aus besichtigt, liegt freilich noch höher, insbesondere die in Südamerika einzigartigen Geysire von El Tatio, für die man sich auf 4.300 Meter wagen muss. Dazu kommt, dass die heißen Wasserfontänen (die hier oben freilich schon bei 85 Grad Celsius kochen) am aktivsten sind, wenn der Unterschied zur Umgebungstemperatur am größten ist - nämlich kurz vor Sonnenaufgang. Das bedeutet, das man die Anfahrt im Kleinbus um 4.30 Uhr beginnt, um zwei Stunden später bei 12 oder 15 Grad unter Null die ersten Sonnenstrahlen herbeizusehnen. Aber es lohnt sich. Und wenn man anschließend tausend Meter tiefer zur Belohnung in 30 Grad warmem Thermalwasser baden darf, ist sowieso alles vergessen.

Man kann problemlos eine Woche mit Ausflügen in alle Himmelsrichtungen bestreiten, denn die Wunder hören nicht auf: Vulkane, Erosionslandschaften, Schluchten in der Wüste, in denen ein Rinnsal eine Oase gedeihen lässt, Flamingos in den Lagunen des Salzsees ... Und abends sieht man sich dann im Hostel, beim Laundry Service oder im Internetcafé, wo man mal wieder tausend neue Bilder und Clips auf DVD brennen lässt.

Unterwegs

La Serena - San Pedro de Atacama, 14./15. Juli 2008. Endlich vernünftige Filme!

Sonntag, 13. Juli 2008

Isla Damas


Nördlich von La Serena, irgendwo in der von Sträuchern und Kakteen bestandenen Halbwüste, führt ein Abzweig in Richtung Punta Choros. Nach vierzig oder fünfzig Kilometern Schotterpiste durch ein trockenes Flusstal erreicht man den Flecken und das Meer - ein sagenhaftes Meer mit tiefblauem Wasser, weißen Stränden und Pelikanen, die auf den Felsen in der Brandung hocken. Dann besteigt man ein Boot und setzt über zur Inselgruppe des Naturparks "Pingüino de Humboldt".

Die Fischer verdienen inzwischen mehr mit der Beförderung von Touristen als mit ihrem angestammten Gewerbe. Sie beherrschen ihre wendigen Boote vorzüglich, mit denen sie die Besucher aus Santiago, Argentinien, Europa oder den USA den Delfinen hinterherschippern, die hier zuverlässig aus den Wellen springen. Beeindruckender noch sind die Seelöwenkolonien auf den Felsen der Isla Choros. Man kommt den balgenden, fauchenden oder dösenden Tieren auf wenige Meter nahe, ohne dass diese sich davon aus der Ruhe bringen ließen. Damit nicht genug: Auch Seeotter, Albatrosse und Tölpel sowie den niedlichen Pinguin gibt es zu sehen, der Pate für den Park stand.

Auf der kleineren Isla Damas kann man kaum Tiere beobachten, dafür gibt es Kakteen voller Flechten und einen blendend weißen Sandstrand, auf den türkise Wellen rollen. Zum Baden taugt er dennoch wenig: Das Wasser ist eiskalt. Das liegt an der Meeresströmung, die nach demselben deutschen Forscher wie der kleine Pinguin benannt wurde, der Corriente Humboldt.

Donnerstag, 10. Juli 2008

Unterwegs


Santiago - La Serena, 8. Juli 2008

Dienstag, 8. Juli 2008

Nachtrag

Ein geschätzter Kollege in Berlin, der eine ausgeprägte mathematische Ader besitzt, hat dankenswerterweise die von mir im Post Wechselkursgewinnler aufgeworfenen Fragen erschöpfend beantwortet. Damit das nicht untergeht, erteile ich ihm an dieser Stelle einfach mal das Wort:

Hallo C.,

Erstmal zu der Formel für die Änderungsrate. Die ist doch ganz plausibel und nichts anderes als simple Prozentrechnung. Nehmen wir mal an, ein Euro sei im vergangenen Jahr (also zum Zeitpunkt "t minus 1") 100 Pesos wert gewesen. Dann wäre folglich der Wechselkurs (WK) zu dem Zeitpunkt (WK t-1) gleich 100. Wenn nun heute (also zum Zeitpunkt "t") ein Euro 103 Pesos wert wäre, wäre das der "WK t". Nun setzt man die Zahlen in die Formel ein (103 - 100) / 100 und errechnet so die Änderungsrate 0,03, was anders ausgedrückt 3 Prozent entspricht. Der Teil der Änderungsratenformel hinter dem zweiten Gleichheitszeichen ist nur eine mathematische Vereinfachung des Terms, der die Rechnung erleichtern soll, läuft aber selbstverständlich auf das gleiche hinaus.*

Die Kurve zeigt nun den Verlauf des Wechselkurses. Mit Hilfe deiner Formel und der in der Grafik ablesbaren Werte kannst du dann die Änderungsrate ausrechnen. Nehmen wir mal den Wechselkurs von Ende Juni mit ca. 830 als WK t und den von Anfang März mit ca. 700 als WK t-1 lässt sich die Änderungsrate 0,1857 (=18,57 Prozent) errechnen. Aber das wusstest du ja selber schon. Die eigentliche Frage, warum sich der Kurs so und nicht anders entwickelt, kann ich dir auch nicht beantworten. Außer dass sich hier, wie die Ökonomiefreaks immer so schön schwadronieren, der Preis im Wechselspiel von Angebot und Nachfrage ergibt.

Seid also einfach froh, dass ihr nicht 2005 in Chile wart, denn damals hat der Euro binnen eines Jahres rund 20 Prozent verloren.

Grüße, G.

*Für Freaks der Bruchrechnung:
("WKt"-"WKt-1")/"WKt-1" = ("WKt"/"WKt-1")-("WKt-1"/"WKt-1") = ("WKt"-"WKt-1")-1

Noch Fragen?

Santiago

Immer wenn wir von Puerto Montt nach Santiago fahren, scheint es mir ein wenig, als kämen wir gerade erst wirklich in Chile an. Das mag einerseits an den tiefen Freundschaften liegen, die uns mit dieser Stadt verbinden, es ist aber auch ein bisschen gesellschaftliche Realität: Die Metropole ist Essenz und Spiegelbild des gesamten Landes, alle sozialen, ökonomischen, ethnischen Widersprüche treten hier zu Tage, alles wird hier gebündelt und transformiert, hier kann man den Boom und das Elend besichtigen. Hier ist die Politik, hier ist das Geld, hier ist die Kultur. Die Stadt ist im brutalstmöglichenen Sinne up to date und gleichzeitig voller Nischen, in denen kaum die Zeit vergeht. Neben anderen lateinamerikanischen Megastädten mag Santiago mit seinen 6 Millionen überschaubar sein, verglichen mit der Provinz ist es ein Gigant - und trotz aller drängenden Umweltprobleme will die Expansion nicht stoppen.

Santiago hat keinen guten Leumund, weder bei ausländischen Besuchern noch bei den Chilenen aus der Provinz. Selbst viele Hauptstädter verzweifeln an den überbordenden Dimensionen ihrer Stadt, dem Smog, dem Dauerstau, den Entfernungen, dem Tempo. Mir hingegen reicht schon eine Stunde auf der Plaza de Armas, um all diese Nachteile zu kompensieren. Es gibt so viele Menschen zu sehen: Schüler und Geschäftsleute, Penner und Liebespaare, die Schachspieler im Pavillon, die Fotografen, die Erdnussröster, die Schuhputzer. Die Peruaner vor der Kathedrale, die Witzeerzähler, die Maler. Der Mann ohne Beine, der sich auf einem Brett durch die Menge schiebt, die berittenen Polizisten. Der Prediger, der allen Passanten, die sich nicht auf der Stelle bekehren, ewiges Höllenfeuer prophezeit. Menschen mit einem Ziel und ohne eines, Käufer und Verkäufer, Taschendiebe, Flaneure. Auf diesem einen Fleck herrscht mehr Urbanität als in hundertzwanzig deutschen Innenstädten zusammen. Sollte ich gerade ins Schwärmen geraten sein?