Freitag, 31. Oktober 2008

Dotter am Straßenrand

Der Frühling bedeckt weite Teile Chiles mit satten Farbflächen. Bemerkenswert dabei: Die Gewächse, die am impertinentesten blühen, sind Neophyten, also erst kürzlich eingewanderte Spezies. Hier im Süden ist es der europäische Stechginster, der weite Flächen mit Senfgelb überzieht und damit gleichzeitig markiert, wo Raubbau an der Natur betrieben wurde. Weiter nördlich, wo ein mediterranes Klima herrscht, knallt dagegen der Kalifornische Mohn dem Betrachter sein Orange ins Auge. Ein sattes, warmes Orange wie Eidotter, das millionenfach die Straßen säumt.

Quelle: Wen Rou auf flickr.com

Dedal de oro wird Eschscholzia californica in Chile genannt, "goldener Fingerhut", was bezüglich Farbe und Form nicht ganz treffend scheint, aber angemessen hübsch klingt. Ein anderer volkstümlicher Name für die krautige Pflanze, die in Kalifornien tatsächlich den Rang einer "Staatsblume" genießt, ist flor del tren. Das verweist auf die ebenfalls großen Vorkommen an Bahndämmen und auf eine Migrationsgeschichte, für die ich allerdings keinen Beleg finden konnte: Die Eschscholzia soll im 19. Jahrhundert beim Bau der Eisenbahnlinien gezielt ausgesät worden sein, um mit ihren Pfahlwurzeln das Terrain zu festigen. Sollte das zutreffen, hätte man tatsächlich einmal das Nützliche mit dem Angenehmen aufs Trefflichste kombiniert.

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