Donnerstag, 8. Mai 2008

Rettung naht

"Rettung naht", titelt der Llanquihue, unsere Provinzchronik, die zurzeit praktisch nur aus Sonderseiten zum Thema Vulkanausbruch besteht: Rettung für rund 400 Haustiere, die ihre Besitzer im inzwischen fast vollständig evakuierten Chaitén zurücklassen mussten. Eine kleine Truppe aus Veterinären und Tierschützern hat bereits mehrere Tonnen Tiernahrung in die Geisterstadt gebracht. Hunde und Katzen sollen nun in der städtische Sporthalle gefüttert und medizinisch betreut werden. Weniger Hoffnung gibt es für mehrere tausend Stück Vieh, vor allem Rinder und Schafe, die in der Umgebung des Vulkans verseuchtes Gras weiden. Experten sagen ein Massensterben in den kommenden Tagen voraus, weil die Asche die Mägen der Tiere langsam verstopft.

"Hunde, Katzen und Kaninchen kämpfen gegen die Wut des Vulkans"
Ausriss Diario El Llanquihue


Noch zittern die Evakuierten: Vielleicht gibt der Vulkan ja doch noch Ruhe und verschont ihre Stadt. Chiles Vulkanologen sind da freilich weniger optimistisch. Eines der besseren Szenarien wäre ihnen zufolge der Ausstoß von Lava, die vermutlich so zähflüssig wäre, dass sie die Stadt gar nicht erst erreicht. Problematisch wären dann nur die durch das glühende Material verursachten Waldbrände. Sollte es hingegen richtig schlimm kommen, bricht die Eruptionssäule in sich zusammen, und pyroklastische Ströme schießen ins Tal herab. Sie könnten die kleine Stadt Chaitén tatsächlich dem Erdboden gleichmachen.

Vor der Gobernación Provincial, der Provinzverwaltung im Zentrum von Puerto Montt, stehen jetzt ständig Trauben von Menschen. Es sind Chaiteninos, deren eigene Behörden hier provisorisch Aufnahme gefunden haben. An Solidaritätsbeweisen mangelt es auch sonst nicht: Die Schulen, an denen in den kommenden Tagen Schüler aus Chaitén unterrichtet werden, sammeln fleißig Lebensmittel für deren Familien, das Multiplex-Kino gewährt den Flüchtlingen freien Eintritt, und einer der wichtigsten Fernsehsender des Landes hat gestern sein Morgenprogramm live aus der Mall von Puerto Montt übertragen. Die Regierung verspricht - wie in solchen Fällen üblich - unbürokratische Hilfe.


Dass die Katastrophe der Stunde, wenn man es einmal so sarkastisch ausdrücken will, nicht der Vulkanausbruch in Chile, sondern ein Sturm in Birma ist, wird hierzulande nicht wahrgenommen. Das ist wohl auch normal so. Wäre gerade wieder einmal die Elbe über ihre Ufer getreten, spielte ein südostasiatischer Zyklon womöglich auch nur eine untergeordnete Rolle in den deutschen Nachrichten.

Wer in Chile dieser Tage ein wenig innehält und über den Ausbruch des Chaitén nachdenkt, muss zu unangenehmen Schlussfolgerungen kommen. Erstens ist das Andenland voll von Vulkanen, aktiven und (mutmaßlich) inaktiven. Zweitens hat kein Experte die aktuelle Eruption vorhergesagt, sie kam völlig überraschend. Drittens ist das Land, sind insbesondere die Städte Chiles in keinster Weise auf einen großen Vulkanausbruch vorbereitet. Andererseits: Wie viel Vorsorge ist unter solchen Voraussetzungen überhaupt möglich, wie viel sinnvoll? Müsste man der Sicherheit zuliebe nicht gleich das ganze Land vorsorglich evakuieren?

Während auch wir uns ein paar düstere Gedanken machen und den Kindern die Naturkatastrophe in weitere Ferne lügen, hat die Aschewolke, die ein gnädiger Wind beständig nach Osten bläst, die Provinz Buenos Aires erreicht. In Bahía Blanca an der Atlantikküste sorgt der Vulkan nach Angaben des Clarín sogar für wirtschaftlichen Aufschwung - zumindest für die Autofensterputzer, die den feinen weißen Staub an der Ampel von den Windschutzscheiben waschen dürfen.

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