Immer wieder interessant: nach Jahren der Abwesenheit zu beobachten, wie sich Sprache und Sprachgebrauch in einer Gesellschaft gewandelt haben. Grundsätzlich ist das chilenische Spanisch dafür ein ausgezeichnetes Objekt, denn der sprachliche Erfindungsreichtum, der Wortwitz und die Verspieltheit der Chilenen sind erstaunlich. Manchmal ist es aber schon unterhaltsam genug, kleinere Bedeutungsverschiebungen zu registrieren oder die inflationäre Verwendung von Vokabeln, die die Sprecher selbst meist gar nicht bemerken.
Ich erinnere mich an einen Dokumentarfilm von Orlando Lübbert, der das postdiktatoriale Chile Anfang der Neunziger skizzierte und von einer solchen Beobachtung ausging: Pötzlich sagten alle correcto statt sí, wenn sie etwas bejahen wollten (¿Fuiste a comprar el pan? - ¡Correcto!). Aus solchen damals üblichen Dialogen glaubte der Filmemacher ableiten zu können, dass das Militärische bis ins Mark der chilenischen Gesellschaft vorgedrungen sei. Ich fand das eher gewagt, denn auch wenn "korrekt" hierzulande eine soldatische Floskel sein mag, schien mir das nur eine von vielen möglichen Interpretationen zu sein - abgesehen von der nicht ganz abwegigen Möglichkeit, dass hier militärische Sprache bewusst verballhornt wurde.
Wie dem auch sei: Heute antwortet außerhalb von Klassenzimmern kaum noch jemand mit correcto. Dafür ist jetzt alles "komplex". Egal, um welches Thema es geht, immer ist irgendetwas complejo oder gerne auch bastante complejo, ziemlich komplex. Man könnte auch - je nachdem - "schwierig", "problematisch", "unmöglich", "unverschämt", "gewagt", "heikel", "dramatisch", was auch immer, vielleicht auch "kompliziert" sagen. Sagt man aber nicht. Stattdessen sagt der Präsident der chilenischen Zentralbank, das laufende Jahr werde sich aufgrund der US-Krise "sehr komplex" für Chile gestalten, oder aber ein Leserbriefschreiber findet es "komplex", dass konservative Kreise ihre Ablehnung der "Pille danach" dem Rest der Gesellschaft aufzwingen wollten.
Es dauert in Chile auch nicht lange, bis solche Phrasen genüsslich ironisiert werden. Wie in meiner derzeitigen Lieblings-Radiosendung, einem intelligenten und witzigen Nachmittagstalk: Da bezeichnet ein Gast ein Regierungsmitglied als pelotudo, was sich freundlich mit "Vollidiot" übersetzen könnte. Der Moderator merkt daraufhin an, einen amtierenden Minister als Vollidioten zu bezeichnen, sei ja "höchst komplex". Soll wohl heißen: ungeschickt, vielleicht sogar juristisch problematisch, aber durchaus korrekt.
Ich erinnere mich an einen Dokumentarfilm von Orlando Lübbert, der das postdiktatoriale Chile Anfang der Neunziger skizzierte und von einer solchen Beobachtung ausging: Pötzlich sagten alle correcto statt sí, wenn sie etwas bejahen wollten (¿Fuiste a comprar el pan? - ¡Correcto!). Aus solchen damals üblichen Dialogen glaubte der Filmemacher ableiten zu können, dass das Militärische bis ins Mark der chilenischen Gesellschaft vorgedrungen sei. Ich fand das eher gewagt, denn auch wenn "korrekt" hierzulande eine soldatische Floskel sein mag, schien mir das nur eine von vielen möglichen Interpretationen zu sein - abgesehen von der nicht ganz abwegigen Möglichkeit, dass hier militärische Sprache bewusst verballhornt wurde.
Wie dem auch sei: Heute antwortet außerhalb von Klassenzimmern kaum noch jemand mit correcto. Dafür ist jetzt alles "komplex". Egal, um welches Thema es geht, immer ist irgendetwas complejo oder gerne auch bastante complejo, ziemlich komplex. Man könnte auch - je nachdem - "schwierig", "problematisch", "unmöglich", "unverschämt", "gewagt", "heikel", "dramatisch", was auch immer, vielleicht auch "kompliziert" sagen. Sagt man aber nicht. Stattdessen sagt der Präsident der chilenischen Zentralbank, das laufende Jahr werde sich aufgrund der US-Krise "sehr komplex" für Chile gestalten, oder aber ein Leserbriefschreiber findet es "komplex", dass konservative Kreise ihre Ablehnung der "Pille danach" dem Rest der Gesellschaft aufzwingen wollten.
Es dauert in Chile auch nicht lange, bis solche Phrasen genüsslich ironisiert werden. Wie in meiner derzeitigen Lieblings-Radiosendung, einem intelligenten und witzigen Nachmittagstalk: Da bezeichnet ein Gast ein Regierungsmitglied als pelotudo, was sich freundlich mit "Vollidiot" übersetzen könnte. Der Moderator merkt daraufhin an, einen amtierenden Minister als Vollidioten zu bezeichnen, sei ja "höchst komplex". Soll wohl heißen: ungeschickt, vielleicht sogar juristisch problematisch, aber durchaus korrekt.
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