Sonntag, 25. Mai 2008

Was tun, wenn's bebt?

Das Beben war am Sonntag das Mega-Thema in den lokalen Medien. Aber was heißt hier "das Beben"? Von Freitagabend bis Samstagmorgen hat es in der Region viermal gebebt, wobei sich die Experten noch nicht im Klaren darüber sind, ob es sich bei den weiteren Bewegungen um Nach- oder eigenständige Beben gehandelt hat. Auch die Frage, ob Vulkanismus Auslöser der Erschütterungen war oder doch tiefere tektonische Verschiebungen, ist ebenso ungeklärt wie die, ob es sich um wenige, zeitlich begrenzte Vorgänge handelt oder den Beginn von etwas, das man als enjambre sísmico, als Erdbebenschwarm bezeichnet: viele kleinere Beben, durch die sich Spannungen in der Erdkruste allmählich abbauen. Oder ob es eben doch Vorzeichen eines größeren Ereignisses sind.

Für Naturkatastrophen aller Art ist in Chile die Oficina Nacional de Emergencia zuständig. Die ONEMI hat unter anderem die Evakuierung der Bewohner von Chaitén organisiert und überwacht seitdem die gefährdete Zone. Vorsitzende der Behörde ist Carmen Fernández, eine resolute Frau mit rauchiger Stimme, die in diesen Tagen ein Interview nach dem anderen geben muss. Von der ONEMI-Website kann man allerlei strategische Pläne zum Katastrophenmanagement herunterladen, ausgeklügelte Pläne, wie die öffentlichen Einrichtungen Hand in Hand mit den Bürgern vorbeugen, reagieren und evaluieren sollen. Nur ein paar simple Hinweise, was man tut oder besser lässt, wenn's bebt, die findet man nicht, jedenfalls nicht auf Spanisch. Für Ausländer in Chile gibt es immerhin ein Merkblatt, das sie mit allen erdenklichen Gefahrenquellen vertraut macht - auch mit Erdbeben:

Ausriss: ONEMI Chile

Was für ein wunderbarer Satz. "Do not wait for a quake to initiate your preparedness." Klar: Wenn es bereits bebt, muss man sich nicht mehr darum kümmern, vorbereitet zu sein. Man ist es oder nicht. Wir wollen selbstverständlich vorbereitet sein. Um die sichere Aufstellung der Möbel müssen wir uns kaum Gedanken machen, wir haben ja bislang kaum welche - und die vielen Einbauschränke, die unser Haus zieren, sind ohnehin kippsicher. Taschenlampe ist vorhanden, batteriebetriebenes Radio auch, soweit alles in Ordnung. Aber nach welchen Kriterien, bitteschön, "definiert" man eine "Sicherheitszone" im Haus? Das wird nicht erklärt. Eine Abbildung im selben Dokument suggeriert, man müsse unter einen Tisch kriechen, während die meisten Chilenen angeben, sie würden sich im Ernstfall in einen Türrahmen stellen. In der Zeitung stand heute aber, beides seien keine sicheren Orte, vielmehr müsse man Schutz in Raumecken oder neben stabilen Möbelstücken suchen, um größtmögliche Sicherheit bei einem Einsturz von Wänden oder Decke zu haben.

Eine erbauliche Lektüre ist übrigens die Erläuterung der Mercalliskala auf den Internet-Seiten der ONEMI (hier). Für jede der 12 Stufen wird exakt angegeben, was zu beobachten und womit zu rechnen ist. Stufe III, die wir vorgestern in Puerto Montt hatten, ist demnach wirklich harmlos:

Wird im Inneren von Gebäuden wahrgenommen. Viele Menschen erkennen allerdings nicht die seismische Ursache des Phänomens, die Vibrationen ähneln denen, die beim Vorbeifahren eines leichten Fahrzeugs entstehen können. Die Dauer des Bebens lässt sich abschätzen.

So etwas nimmt man mit links. Ernster ist da schon Stufe VI:

Wird von allen Betroffenen wahrgenommen. Sie geraten in Angst und fliehen ins Freie. Man spürt Unsicherheit beim Gehen. Fensterscheiben und Geschirr zerbrechen. Spielzeuge und Bücher fallen von den Regalen, Bilder von der Wand. Möbel verrutschen oder fallen um. Im Stuck bilden sich Risse. Man kann Bewegungen von Bäumen beobachten oder ihr Knarren hören. Kleinere Glocken von Kirchen oder Schulen beginnen zu läuten.

Unheimlich. So geht das immer weiter, Stufe IX klingt bereits ziemlich apokalyptisch:

Allgemeine Panik entsteht. Schlecht ausgeführtes Mauerwerk stürzt ein. Gewöhnliches Mauerwerk wird stark beschädigt und kann ebenfalls einstürzen. Mauerwerk von hoher Qualität nimmt sichtbaren Schaden. Fundamente werden beschädigt, Holzbalken werden aus ihren Verankerungen gerissen. Wasser- und Gasspeicher erleiden beträchtliche Schäden. Unterirdische Wasserleitungen zerbrechen. Auch in trockenem Untergrund öffnen sich Spalten. In Schwemmland wird Schlamm und Sand aus dem Boden ausgestoßen.

Stufe XII ist dann recht kurz gehalten:

Die Zerstörung ist praktisch vollkommen. Felsmassen geraten in Bewegung. Gegenstände werden in die Luft geschleudert. Das Landschaftsbild verändert sich.

Im Mai 1960 soll in den ufernahen Bereichen von Puerto Montt Stufe XI erreicht worden sein. Wir haben am Samstag kurzfristig unsere Pläne geändert und einen Ausflug ins Umland gemacht, anstatt in der Mall ein Sofa zu kaufen. Wenn das Wetter schon einmal schön ist, sollte man das hier ja unbedingt ausnutzen.

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