Samstag, 31. Mai 2008

Osorno


Osorno - das ist eine verschlafene Stadt im Norden unserer Seen-Region, die Kapitale der chilenischen Milchwirtschaft. Es ist aber auch der Name des nach Ansicht der meisten Reiseführer schönsten Vulkans Chiles. Hinter dem Llanquihue-See ragt er auf, ein fast perfekter Kegel, die Spitze in Gletschereis gehüllt. Nur im vergangenen Sommer, einem der heißesten und trockensten seit Menschengedenken, klafften plötzlich hässliche schwarze Lücken in der weißen Kappe. Jetzt schneit es aber wieder. Im Winter ist der Berg ein weißer Traum, vor allem für die Skifahrer. Auf sie warten zwei Sessellifte und - so heißt es - jede Menge Pulverschnee, aber verhältnismäßig wenig Konkurrenz auf der Piste.

An einem strahlenden Sonnenwochenende im Herbst ist es noch ruhiger auf dem Vulkan. Kaum jemand findet den Weg herauf, dabei ist die Straße zwar steil und kurvenreich, aber in perfektem Zustand. Wahrscheinlich ist es so: Wer sich kein Auto leisten kann, muss ohnehin unten bleiben, während die SUV-Fahrer am anderen Ende der Vermögensskala es vorziehen, üppige asados zu verzehren oder ihre Aktienkurse im Auge zu behalten. Uns soll es recht sein.

Die Einsamkeit auf dem Vulkan ist fast perfekt, es herrscht kristalline Stille. Einen Kilometer tiefer zerläuft der See im Dunst. Unter den Schuhen knirschen leise die porösen Lavabrocken, nach einem kurzen Aufstieg ist der Boden bereits mit Firnflecken gesprenkelt. In der Ferne leuchtet der Tronador in der Sonne, ein erloschener Vulkan auf der Grenze zu Argentinien. Der Osorno dagegen gilt als aktiv: Mitte des 19. Jahrhunderts brach er mehrmals aus, zuletzt im Jahr 1869. Jetzt ist er einer der wenigen Vulkane, denen das vulkanologische Observatorium des chilenischen Geologie- und Bergbauamtes rund um die Uhr den Puls fühlt. Zurzeit herrscht Warnstufe "grün" (auf einer grün-gelb-roten Ampel-Skala). Das darf gerne so bleiben.

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