Sonntag, 6. April 2008

Brennholz

Die Nächte sind bereits empfindlich kalt, aber tagsüber hat die Sonne noch so viel Kraft, dass man es in windgeschützten Ecken nicht lange ohne Schatten aushält. Für den hat Andrés selbstverständlich gesorgt. Der Andalusier, den das Schicksal in den Süden Chiles verschlug, hat vorher jahrelang in ostdeutschen Tapas-Bars gekocht und weiß mit Gästen umzugehen, auch bei einem Gartenfest in Valle Volcanes.


Während sich die Liebhaber von Meeresfrüchten über ein Blech calamares en su tinta hermachen, kommt das Gespräch auf ein echtes Dauerbrenner-Thema in Puerto Montt – die Holzversorgung für den kommenden Winter. Mit Gas oder Öl heizen hier allenfalls Menschen, die in Hochhäusern wohnen oder zu viel Geld übrig haben, das haben wir schon gelernt. Jetzt ist es höchste Zeit, sich mit einem anständigen Vorrat einzudecken. Auf Bestellung kommt ein Laster vors Haus gefahren und verkauft grobe Holzscheite nach vara, einer alten spanischen Maßeinheit, die einem knappen Quadratmeter Fläche bei rund 40 Zentimetern Tiefe entspricht. Je länger man mit dem Kauf wartet, desto teurer wird das Brennholz – vor allem das gut getrocknete, das im Ofen nicht schwelt und stinkt.


Am besten“, sagt Enrique, der unter der Woche Autos verkauft, „ist tepú. Das hat einen so hohen Brennwert, da musst du aufpassen, dass du nicht deine Bude abfackelst. Aber raulí ist auch in Ordnung, oder luma. Eukalyptus ist Mist, brennt schnell weg und heizt trotzdem schlecht.“ Tepú, raulí und luma sind endemische Hölzer, die den einzigartigen kalten Regenwald Südchiles prägen. Wo werden die denn geschlagen? „In der cordillera de la costa“, weiß Cristóbal, der Forstwirtschaft studiert hat, und in seiner Freizeit am liebsten auf Berge steigt. Bei Los Muermos in der Küstenkordillere würden gewaltige Flächen einfach gerodet. „Da gehen riesige Naturschätze verloren. Es gibt nämlich kein Gesetz, das zu nachhaltiger Waldbewirtschaftung verpflichtet.“


Nach einem Zwischengang chorizos tischt Andrés einen gewaltigen Lachs auf, den er sorgfältig im Ofen gegart hat. Wie es denn sein könne, dass es keine entsprechenden Gesetze gebe, fragt Mauricio. Der Meeresbiologe, der für die GEF in einem Küstenmanagement-Projekt arbeitet, ist zur Hälfte Kolumbianer und lebt erst seit ein paar Jahren in Chile. Ganz einfach, sagt Cristóbal: Vielen wichtigen Politikern gehörten große Ländereien. „Das sind die ersten Nutznießer einer mangelnden Regulierung, die werden sich hüten, etwas dagegen zu unternehmen.“ Der Fisch schmeckt köstlich.

Jetzt kommt Cristóbal in Fahrt: Das Holz der alerce, eines Baumes, der mehrere tausend Jahre alt werden kann und inzwischen unter strengem Schutz steht, sei in den USA heiß begehrt und werde illegal gehandelt. „Wie eine Droge!“ Im benachbarten Nationalpark Alerce Andino würden heimlich Bäume gefällt, herausgeschmuggelt und bei ihrer Verschiffung unter minderwertigem Holz versteckt. „Aber das sind ja wenigstens Chilenen, die sich da bereichern. Unten in Patagonien, wo keiner den Überblick hat, ziehen die Gringos einzelne Bäume mit Hubschraubern aus dem Wald. Die stehlen sie einfach.“ Woher er das denn nun schon wieder wisse, fragt ihn Marisol, seine Schwester und Enriques Frau. „Hab ich halt gehört“, brummt Cristóbal und macht ein frisches Bier auf.


Ein paar Flaschen Rotwein später wird die Gitarre aus dem Haus geholt. Enrique schrubbt alte Hits von Charly García, Mauricio macht die zweite Stimme, und Cristóbal drischt auf ein Percussion-Set aus Küchenutensilien ein. Der Abend wird sehr nett. Noch später erzählt uns Andrés grinsend, dass Mauricios Frau Luisa in einer Woche die unglaubliche Menge von drei varas verheizt. Sie ist halt Kolumbianerin und kommt mit der Kälte hier nicht klar.


2 Kommentare:

  1. Hallo C.
    ich kürze mal deinen Vornamen ab, denn bisher wissen wir ja nur, dass du männlich bist. Auf jeden Fall gilt mein täglicher Blick im Internet nun nicht mehr nur Spiegel Online sondern auch deinem Montt Blog. Und jeden Tag freue ich mich aufs Neue über das, was ich da lese. Ich hoffe, dass Dir der Stoff nie ausgeht und grüße Dich, S., B. und J. aufs Herzlichste aus dem kühlen Berlin.
    Deine W.

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  2. Super Blog! Deine Beiträge lesen sich echt locker flockig ;-)

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