Achtzehn Jahre nach der Abdankung von Augusto Pinochet und anderthalb nach seinem Tod scheint es zumindest Teilen der chilenischen Gesellschaft daran gelegen zu sein, wieder Generäle mit halbwegs reiner Weste, sprich: Uniform zu Idolen zu verklären. Der Tod von Polizeichef José Alejandro Bernales, der vor zwei Wochen bei einem Hubschrauberabsturz in Panama ums Leben kam, wurde von der Regierung und den Offizieren jedenfalls zum Vorwand genommen, eine befremdliche Heldenverehrung zu zelebrieren. Bernales, ein - wie es sich für chilenische Polizeichefs gehört - ziemlich harter Hund, wurde von den Medien zum general del pueblo erhoben, die Präsidentin rief dreitägige Staatstrauer aus. Als der "General des Volkes" zu Grabe getragen wurde, inszenierten Staat, Militär und Kirche eine gewaltige Trauerfeier, zu der sich Tausende einfanden. Alles, was sich an militärischer Symbolik auffahren ließ, wurde aufgefahren: Spaliere strammstehender Gardisten, Offiziersmütze und Säbel auf dem mit der chilenischen Flagge bedeckten Sarg, ein letzter Zapfenstreich. Alle waren des Lobes voll für diesen Mann, der, schenkt man der offiziellen Version Glauben, ein Sinnbild des Anstands, der Disziplin und des Patriotismus war.
Ich hatte mich schon ein wenig über das ganze Brimborium gewundert. So traurig es auch ist, wenn jemand einen tragischen Tod findet - die kollektive Trauer eines ganzen Landes schien mir etwas suspekt, zumal auf der Straße und in Gesprächen mit ganz normalen Chilenen keine außergewöhnliche Bestürzung festzustellen war. Die militärisch organisierte Polizei wird ja auch nicht gerade geliebt, weder für ihre schmutzige Vergangenheit als Teil der Junta noch für ihre sprichwörtliche Gnadenlosigkeit, wenn es in der Gegenwart um die Unterdrückung von zivilem Protest oder die Repression der Mapuche-Aktivisten im Süden des Landes geht.
Vollends wieder geradegerückt hat mein Weltbild ein kleiner, wunderbar respektloser Artikel von Pamela Jiles. Die 48-jährige Journalistin ist ein Ausnahmetalent, hat sich aber immer geweigert, den bequemen Weg zum beruflichen Erfolg einzuschlagen. Als Mitglied der clase alta hat sie konsequent linken investigativen Journalismus betrieben und während der Diktatur für oppositionelle Zeitschriften wie Apsi und Análisis geschrieben. Später arbeitete sie für die Reportagesendung Informe Especial im staatlichen Fernsehsender TVN, schrieb dann Bücher, unter anderem über Sexuelle Phantasien chilenischer Frauen und tauchte irgendwann als intellektueller Sidekick in einem TV-Programm auf, das sich der Analyse der nationalen Promi-Szene widmet und in Deutschland wohl am ehesten mit dem unsäglichen ZDF-Format "Blond am Freitag" zu vergleichen wäre (das, wie ich eben von Wikipedia erfahre, dankenswerterweise vor einem guten Jahr eingestellt wurde). Vor kurzem hat der Sender sie aber gefeuert, weil sie sich ein paar zu deftige Beleidigungen für eine Kollegin ausgedacht hatte.
Das "Trauer-Overacting der herrschenden Klassen" nach dem Tod von Bernales, schreibt Jiles also in ihrer kleinen Reflexion für The Clinic, "riecht nach Opportunismus". Der ganze Überschwang, die Fahnen auf Halbmast, die Übertragung der Beerdigung auf allen Kanälen sollte, so vermutet sie, von den realen Problemen ablenken, die die Chilenen gerade bedrücken: die Schüler- und Studentenunruhen, die Energiekrise, die Arbeitskämpfe in den Kupferminen und bei den Fischern und nicht zuletzt die Zerrissenheit der Regierungskoalition. Zumal, fragt Jiles, und das ist schon fast ein Sakrileg, am Ende niemand so genau wissen wollte, was das denn für eine offizielle Mission war, bei der Bernales und seine Frau, ein enger Mitarbeiter und dessen Frau sowie zwei weitere Unteroffiziere im Helikopter saßen. Tatsächlich hat Bernales eine Rede vor panamaischen Offizieren gehalten, des Weiteren handelte es sich aber allem Anschein nach eher um eine Vergnügungsreise. Als der Hubschrauber abstürzte, kam die Gruppe gerade von einem Einkaufsbummel in Colón, der zweitgrößten Freihandelszone der Welt, zurück, wo sie Parfüms und Videokameras gekauft hatte. Diese Art von Reisen, so viel ist inzwischen durchgesickert, hatte Bernales mit Frau und Begleitern bereits nach Italien, Spanien und Deutschland unternommen - auf Staatskosten, versteht sich.
Während man dem Volksgeneral die Trauermesse las, wurden bei chilenischen Gerichten zwei Klagen gegen Sondereinheiten der Polizei eingereicht - eine wegen Misshandlungen von demonstrierenden Schülern, eine zweite wegen sexueller Belästigung einer Minderjährigen. Davon, schreibt Jiles, nahmen die Medien nicht einmal Notiz.
Ich hatte mich schon ein wenig über das ganze Brimborium gewundert. So traurig es auch ist, wenn jemand einen tragischen Tod findet - die kollektive Trauer eines ganzen Landes schien mir etwas suspekt, zumal auf der Straße und in Gesprächen mit ganz normalen Chilenen keine außergewöhnliche Bestürzung festzustellen war. Die militärisch organisierte Polizei wird ja auch nicht gerade geliebt, weder für ihre schmutzige Vergangenheit als Teil der Junta noch für ihre sprichwörtliche Gnadenlosigkeit, wenn es in der Gegenwart um die Unterdrückung von zivilem Protest oder die Repression der Mapuche-Aktivisten im Süden des Landes geht.
Vollends wieder geradegerückt hat mein Weltbild ein kleiner, wunderbar respektloser Artikel von Pamela Jiles. Die 48-jährige Journalistin ist ein Ausnahmetalent, hat sich aber immer geweigert, den bequemen Weg zum beruflichen Erfolg einzuschlagen. Als Mitglied der clase alta hat sie konsequent linken investigativen Journalismus betrieben und während der Diktatur für oppositionelle Zeitschriften wie Apsi und Análisis geschrieben. Später arbeitete sie für die Reportagesendung Informe Especial im staatlichen Fernsehsender TVN, schrieb dann Bücher, unter anderem über Sexuelle Phantasien chilenischer Frauen und tauchte irgendwann als intellektueller Sidekick in einem TV-Programm auf, das sich der Analyse der nationalen Promi-Szene widmet und in Deutschland wohl am ehesten mit dem unsäglichen ZDF-Format "Blond am Freitag" zu vergleichen wäre (das, wie ich eben von Wikipedia erfahre, dankenswerterweise vor einem guten Jahr eingestellt wurde). Vor kurzem hat der Sender sie aber gefeuert, weil sie sich ein paar zu deftige Beleidigungen für eine Kollegin ausgedacht hatte.
Das "Trauer-Overacting der herrschenden Klassen" nach dem Tod von Bernales, schreibt Jiles also in ihrer kleinen Reflexion für The Clinic, "riecht nach Opportunismus". Der ganze Überschwang, die Fahnen auf Halbmast, die Übertragung der Beerdigung auf allen Kanälen sollte, so vermutet sie, von den realen Problemen ablenken, die die Chilenen gerade bedrücken: die Schüler- und Studentenunruhen, die Energiekrise, die Arbeitskämpfe in den Kupferminen und bei den Fischern und nicht zuletzt die Zerrissenheit der Regierungskoalition. Zumal, fragt Jiles, und das ist schon fast ein Sakrileg, am Ende niemand so genau wissen wollte, was das denn für eine offizielle Mission war, bei der Bernales und seine Frau, ein enger Mitarbeiter und dessen Frau sowie zwei weitere Unteroffiziere im Helikopter saßen. Tatsächlich hat Bernales eine Rede vor panamaischen Offizieren gehalten, des Weiteren handelte es sich aber allem Anschein nach eher um eine Vergnügungsreise. Als der Hubschrauber abstürzte, kam die Gruppe gerade von einem Einkaufsbummel in Colón, der zweitgrößten Freihandelszone der Welt, zurück, wo sie Parfüms und Videokameras gekauft hatte. Diese Art von Reisen, so viel ist inzwischen durchgesickert, hatte Bernales mit Frau und Begleitern bereits nach Italien, Spanien und Deutschland unternommen - auf Staatskosten, versteht sich.
Während man dem Volksgeneral die Trauermesse las, wurden bei chilenischen Gerichten zwei Klagen gegen Sondereinheiten der Polizei eingereicht - eine wegen Misshandlungen von demonstrierenden Schülern, eine zweite wegen sexueller Belästigung einer Minderjährigen. Davon, schreibt Jiles, nahmen die Medien nicht einmal Notiz.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen