Montag, 30. Juni 2008

Nochmal: Allende

Wer war eigentlich dieser Allende? Sehr erhellend fand ich die Antworten chilenischer Teenager, die letztens im TV zu sehen waren. Sie zeigten zweierlei: dass es immer noch ein paar hoch politisierte junge Leute in Chile gibt, das Gros der Unter-18-Jährigen aber keinen Schimmer hat, was die sozialistische Regierung der Unidad Popular (UP), den Putsch und die Diktatur angeht. "Ich weiß, dass er in der Moneda ums Leben gekommen ist", sagte ein Mädchen. "Aber was er da gemacht hat - keine Ahnung." Andere rätselten, ob Allende ein linker oder ein rechter Präsident war. Oder ein Politiker aus der Pinochet-Ära? Oder doch ein Dichter? Das erinnert stark an ähnliche Umfragen in Deutschland, Thema "Was war noch mal die DDR?" Da vermuten Schüler bekanntlich auch die absurdesten Dinge, und man kann es ihnen nicht einmal vorwerfen, denn es kommt ja vielmehr darauf an, wer ihnen was und in welcher Form vermittelt. Bei politisch heiklen Themen, wie es die jüngste Vergangenheit Chiles zweifellos ist, wird die Informationslage dann oft gefährlich dünn. Wir werden darauf zurückkommen.


Brille und Bourgeoisie: Allende mal in Farbe

Ein ganz anderer Aspekt: Im Vergleich zu seinen südamerikanischen Nachbarn hat der chilenischen Staat zurzeit wenig finanzielle Sorgen. Das liegt zu großen Teilen am exorbitanten Kupferpreis, denn Chile ist nach wie vor weltgrößter Kupferexporteur, der Rohstoff begehrt wie nie zuvor und die chilenische Kupferförderung in staatlicher Hand. Dank Allende. Die
nacionalización del cobre, die Enteignung der US-amerikanischen Kupfergesellschaften, war wohl die einzige Maßnahme der UP, die Pinochet nicht rückgängig gemacht hat. Mit gutem Grund, denn die Einnahmen sprudeln und wollen nicht versiegen. Dass ausgerechnet die Chinesen mit einem quasi-kapitalistischen Boom den Kupferpreis in solche Höhen treiben würden (zurzeit kostet die Tonne über 8.500 Dollar, vor fünf Jahren waren es noch 2.000 Dollar), damit allerdings hat Allende wohl kaum gerechnet.


Weil "Rohstoff" irgendwie nach Unterentwicklung klingt, hat sich in den chilenischen Medien übrigens der Begriff commodity eingebürgert. Was in einem spanischsprachigen Kontext Eindruck schindet, aber letztlich auch nichts anderes bedeutet.

Sonntag, 29. Juni 2008

Genderfragen

Vieles in Chile ist genau wie in Deutschland, manches allerdings nur ähnlich. Frauenparkplätze etwa gibt es auch hier, aber sie richten sich nicht allgemein an die Träger eines doppelten x-Chromosoms, sondern ganz konkret an werdende Mütter, die mit den schweren Tüten nicht so weit laufen sollen. Was ja an sich nichts Schlechtes ist. Bloß dass Frauen, die sich einfach mehr Sicherheit auf dem schummrigen Parkdeck wünschen, im Zweifelsfall kein Anrecht auf diesen Stellplatz haben. Theoretisch jedenfalls.

In der Theorie kommt auch beim Einkauf in der Supermarktkette Santa Isabel ein Mann auf drei Frauen - wenn ich den Subtext des folgenden Werbeplakats richtig lese. (Vordergründig soll es suggerieren, man habe als Stammkunde einen persönlichen Einkaufswagen, sei also hier mehr oder weniger zu Hause.) In der Realität erledigen aber ganz viele Männer die Einkäufe, ob mit Frau, Familie oder ganz allein. Sogar ein schwules Paar stand einmal hinter mir an der Kasse. Manchmal sind die Chilenen eben ein bisschen weiter, als sie selbst vermuten würden.


Samstag, 28. Juni 2008

Vorsprung

Wer aus Berlin in die chilenische Provinz zieht, nimmt ein recht ausgedünntes kulturelles Leben in Kauf. Und das ist noch freundlich ausgedrückt. Manchmal gibt es dann aber doch eine kleine Kompensation. Etwa in Form von Filmstarts, die zeitgleich zu den USA stattfinden. Gestern haben wir uns köstlich mit dem neuesten, seit langer Zeit angekündigten Pixar-Produkt Wall-E amüsiert, das in Deutschland erst Ende September in die Kinos kommen wird. Aber Vorfreude ist ja auch was Schönes.



Unreine Luft

Dass dieses Land nicht überall und schon gar nicht in, um und um Santiago herum das schmeichelhafte Attribut "pure" verdient, dürfte die Zielgruppe der geplanten Imagekampagne ziemlich verstören - so sie sich denn tatsächlich vom Glamour eines exquisiten Chile-Flagstores anlocken lässt. Spätestens kurz vor der Landung, beim Eintauchen in die Smogglocke über der Hauptstadt, ist es mit der Reinheit erst einmal vorbei.

In diesen kalten Wintertagen ist der schmutzige Dunst besonders hartnäckig und nicht nur wegen der damit verbundenen Gesundheitsgefährdung Talk of the Town: Wenn die Behörden Alerta (Warnstufe) ausrufen, bekommt ein Teil der privaten Fahrzeuge ohne Katalysator Fahrverbot, wenn dagegen Preemergencia (Vor-Notstand) herrscht, müssen zusätzlich auch einige mit Katalysator zu Hause bleiben. Betroffen sind je nach Datum Autos mit einer bestimmten Endziffer auf dem Nummernschild. Eine Emergencia, einen echten Notstand also, hat es in den vergangenen fünf Jahren offenbar nicht gegeben, aber auch wenn die Luftwerte in deren Nähe geraten, steigt die Mortalität messbar an, laut Andrei Tchernitchin vom chilenischen Verband der Kinderärzte um genau 28 Prozent. Konkret heißt das: Statt den 50 Personen, die in Santiago an einem durchschnittlichen Tag sterben, sind es unter diesen Bedingungen 64.

Eine kleine Smog-Galerie öffnet sich beim Klick auf diesen Link.

Freitag, 27. Juni 2008

Wechselkursgewinnler

Quelle: Wikipedia

Diese Formel meint es gut mit uns. Erklären kann ich sie nicht so richtig, aber sie berechnet die Änderungsrate von Wechselkursen - und der Wechselkurs des Euro zum chilenischen Peso steigt scheinbar unaufhaltsam, seit Anfang März bereits um mehr als zwanzig Prozent.

Für uns hat das gravierende Auswirkungen: Da S. den Löwenanteil ihres Gehalts in Euro auf ein deutsches Konto überwiesen bekommt, nehmen wir sozusagen Tag für Tag Wechselkursgewinne mit. Vergleicht man den Gegenwert ihrer Euro-Einkünfte in Pesos von Anfang März mit dem aktuellen, liegen dazwischen nicht weniger als zwei chilenische Mindestlöhne, die wir jetzt zusätzlich ausgeben können. Was weniger für die Üppigkeit der Zuwendungen aus Deutschland spricht als für die Dürftigkeit des hiesigen Mindestlohns. Auch wenn wir uns beim besten Willen nicht darüber beklagen - nachdenklich macht diese Art der Geldvermehrung schon.

PS: Wer diese Kurve, ihren Steigungsgrad und ihre Ausschläge plausibel erläutern kann, erhält ein Restexemplar des vom Blog-Autor mitverfassten Büchleins "Teste dein Allgemeinwissen: Wirtschaft" (ISBN 3-581-67151-4) mit einer persönlichen Widmung.

Donnerstag, 26. Juni 2008

Rotwein und Allende

Eine Frage, die ich mir schon öfter gestellt habe: Wofür steht eigentlich dieses Land? Welche Assoziationen weckt das Wort "Chile" im Rest der Welt? Weckt es welche? Ich vermute, sie lauten auch heute noch "Allende" und "Pinochet". Sonst noch was? Sagen wir mal: Rotwein.

Gestern, am 26. Juni, hatte unter anderem Salvador Allende Geburtstag - vor genau 100 Jahren. Zu Ehren des gestürzten Präsidenten luden die ebenfalls sozialistische Amtsinhaberin und die Parteien der regierenden Mitte-Links-Koalition zu einem Festakt vor den Moneda-Palast. Am Fuße des Allende-Denkmals und vor 800 geladenen Gästen gab es ein paar nachdenkliche Reden, unter anderem von Allendes Tochter Isabel (nicht der Autorin). Die Kongressabgeordnete brachte ihre Freude darüber zum Ausdruck, dass ihr Vater heute in der ganzen Welt Chile und den Kampf für soziale Gerechtigkeit symbolisiere. Gegenüber dem Volk, das Allende zuweilen wie einen Heiligen verehrt, wurden die Feierlichkeiten freilich recht hermetisch abgeriegelt. Auf die Frage, ob die Sicherheitsvorkehrungen, die eines Papstbesuches würdig waren, nicht der selbsterklärten Bürgernähe der Regierung widersprächen, antwortete deren Sprecher Francisco Vidal, manchmal müsse man solche Vorkehrungen treffen, um den Bürgern erst die freie Meinungsäußerung zu ermöglichen. Sein sozialistischer Ministerkollege José Antonio Viera-Gallo gab immerhin zu, dass Allende, würde er noch leben, "sicherlich nicht uneingeschränkt mit der Situation im Lande einverstanden wäre. Er würde aber die Entwicklung Chiles von einem Land, in dem extreme Armut und Diktatur herrschten, hin zu einem Zustand von mehr Wohlstand und Freiheit begrüßen." Angesichts der Tatsache, dass Chile weltweit zu den Staaten mit den schlechtesten Verteilungsindizes zählt, in denen also die Kluft zwischen Arm und Reich am größten ist, eine gewagte These. Aber Allende ist ja tot.

Ein, wie ich finde, überragender visueller Einfall ist die vor der Moneda installierte riesenhafte Replik von Allendes zerbrochener Brille (das Original ist im Museo Histórico Nacional ausgestellt). Die Hornbrille ist fester Bestandteil der Ikonografie Allendes und einer ganzen Epoche, die mit dem mutmaßlichen Selbstmord des Präsidenten endete. Dieses Bild transportiert unzählige andere, und es stört die scheinbare Intaktheit von Stadt und Gesellschaft aufs Trefflichste.

Ein paar Störenfriede haben es doch geschafft, bis zur Veranstaltung vorzudringen. Beide Bilder stammen von Carlos Aguirre Poblete. Mehr Bilder, zu denen ich nur verlinken kann, hier.

Nun zum Rotwein. The Clinic bringt ein Interview mit Marcelo Jünemann und Mauricio Banchieri. Die beiden Jungunternehmer werden in Kürze im Auftrag und mit Mitteln ihrer Regierung eine Art Chile-Flagstore in Soho, New York eröffnen - um ein zeitgemäßes "Brand", sprich: eine Marke zu setzen. Es kursieren bereits Entwürfe für den Laden - auffallend dabei ein extrem karges Design und eine gläserne Wand mit 3.000 Flaschen bestens chilenischen Weins, der auch käuflich erworben werden kann. Auch Kritik wurde bereits laut an dieser Repräsentation eines Landes, das doch realiter mehr rustikal als reduziert auftritt. Pure Chile heißt ihr Projekt, angelehnt an die ersten Worte der Nationalhymne Puro, Chile. Hier ein paar Auszüge aus dem Interview:

TC: Was hat das Design eures Stores mit unserem Land zu tun?

MB: Es stimmt schon, dass der chilenische Stil im Wirklichkeit etwas folkloristischer ist, um es einmal so auszudrücken. Aber wir glauben, mit diesem minimalistischen oder eklektischen Stil eine gemeinsame Sprache gefunden zu haben, über die wir die Kommunikation überhaupt erst einmal in Gang setzen. Die Folklore kommt dann später. Ich fände es toll, wenn die New Yorker sich auch für Violeta Parra oder die Prisioneros interessieren, aber wenn wir damit einsteigen, erreichen wir unser Ziel vielleicht nicht.
MJ: Wir sitzen in Soho, im hipsten Viertel von New York, da können wir keinen Stand aufbauen, wo Kunsthandwerk herumbaumelt. Sonst schreibt die New York Times niemals über uns.
MB: Um unsere kaufkräftige Zielgruppe für Chile zu interessieren, müssen wir ihnen klarmachen, dass sie unser Land besuchen können, ohne überfallen zu werden. Obwohl das natürlich vorkommt. Obwohl die Infrastruktur viel zu wünschen übrig lässt. Undsoweiter.

TC: Aber warum sollte man den Leuten Lügen auftischen? Sie werden dann ja doch überfallen, und die sopaipillas, die bei uns auf der Straße verkauft werden, sind kein bisschen pure.

MB: Aber schau doch mal nach Venezuela, da werden jedes Jahr elftausend Menschen ermordet. In Kolumbien haben sie Probleme mit der guerrilla, und in Argentinien ist dein Geld auf der Bank nicht sicher. Ganz zu schweigen von einem zerrissenen Land wie Bolivien! Die Armut, die favelas in Brasilien! Da können wir auf Chile doch total stolz sein! Klar, wir sind auch stolz auf den Bauernmarkt von Chillán, aber wir müssen eben erreichen, das die Leute erst mal anbeißen.
MJ: Und wenn sie dann nach Chillán kommen, geben sie ihre Dollars auf dem Markt aus. Ich gehe davon aus, dass der Tourismus in zehn Jahren Chiles zweitwichtigste Einkommensquelle sein wird. (...)

TC: Kritisiert wird auch, dass ihr vor allem Wein verkauft.

MB: Das ist eine Frage der Ökonomie. Wenn wir jede Menge Geld zu verbrennen hätten, klar, dann könnten wir auch handgeschnitzte Jo-Jos anbieten. Fragt sich, ob wir auch nur einen verkaufen würden. Und der Laden kostet 30.000 Dollar Miete im Monat.
MJ: Oder den indio pícaro! Das wär's doch, wir verkaufen indios pícaros!
MB: Wir müssen verantwortlich mit dem Geld umgehen, das der Staat uns anvertraut. Und deswegen bieten wir das an, was auch gekauft wird. Und das ist der Wein.

Wer jetzt noch wissen will, was ein indio pícaro ist (in der Tat eines der "typischsten" Produkte auf chilenischen Kunsthandwerk-Märkten), klicke hier. Achtung, obszön!

Skatt

Aus Gründen der Diskretion habe ich den Post "Skatt", in dem sich lebende Personen, sprich: Teilnehmer eines Skatabends auf unvorteilhafte, weil realistische Weise wiedererkennen könnten, vorläufig vom Netz genommen. Nach freundlicher Anfrage über die Blogmail bin ich selbstverständlich bereit, ihn exklusiv zur Verfügung zu stellen.

Montag, 23. Juni 2008

Calbuco


Der Charme der meisten Städte im Süden Chiles erschließt sich ausländischen Besuchern nur langsam, wenn überhaupt. Wo es einmal interessante Bauwerke gegeben hat, sind sie meist dem großen Erdbeben von 1960, irgendeinem Großbrand oder der Grundstücksspekulation zum Opfer gefallen. Die meisten Orte haben öde Schachbrett-Grundrisse, sind hoffnungslos verbaut und leiden - zumindest aus europäischer Perspektive - unter ihrer Geschichtslosigkeit. Im Gegensatz zu Puerto Montt, das gerade einmal 150 Jahre alt ist, kann die kleine Schwesterstadt Calbuco immerhin auf stolze vier Jahrhunderte Historie zurückblicken. 1602 als spanisches Fort auf einer kleinen Insel am oberen Ende des Golfs von Ancud gegründet, hat es die ganze Zeit über durchgehalten, während auf dem Festland die Mapuche ihr angestammtes Gebiet über viele hundert Kilometer nach Norden erfolgreich verteidigten.

Spuren der Kolonialgeschichte sollte man aber in Calbuco besser nicht suchen. Auch wenn der Turistel, der - wenn man so will - chilenische Baedeker, zuverlässig freundliche Worte findet: Bis auf ein verrostetes Kanonenrohr und ein backsteinernes Türmchen von zweifelhafter Authentizität herrscht hier vor allem Gegenwart. Sympathisch ist Calbuco trotzdem. Im Gegensatz zu "Puerto", wie man unseren Wohnort in der Umgebung nennt, ist das 30.000-Einwohner-Städtchen angenehm entspannt. Die Insel, auf der es liegt, ist längst über einen kleinen Damm mit dem Festland verbunden, das Gefühl der Abgeschiedenheit aber bleibt. Arbeit gibt es hier vor allem in der industriellen Lachsverarbeitung, den Rest bestreiten kleine Fischereibetriebe und Muschelzuchten.

In Calbuco ticken die Uhren deutlich langsamer. Die Stadt ist arm, trägt ihr Schicksal aber mit Würde. Das liegt vielleicht auch an der wunderschönen Lage, an dem weiten Blick übers Wasser und benachbarte Inseln bis zu den Vulkanen am Horizont. Wenig Autos fahren hier, die Leute gehen viel zu Fuß, von der Anlegestelle für die kleineren Boote im Norden, quer über den Hügel mit den windschiefen bunten Häusern, den Kramläden und Spelunken, über die plaza, auf der sich die Jugend im Skaten versucht, bis zum Hafen im Süden, wo die großen Fischerboote festmachen. Man kennt sich. Wen man nicht kennt, dem schaut man hinterher. Uns wurde dauernd hinterhergeschaut. Nicht unfreundlich, eher fragend: Touristen? In Calbuco?

Wir fahren sicher nochmal hin.

Sonntag, 22. Juni 2008

El cura Hasbún

Nicht, dass ich sagen könnte, wozu genau Facebook gut ist, aber ich habe mir für alle Fälle einen Account angelegt und mich mit allen Freunden vernetzt, die die Seite ebenfalls nutzen. Viele sind das bislang nicht. Feststellen lässt sich aber, dass social networking in Chile viel beliebter als in Deutschland ist, wie überhaupt die meisten jungen Chilenen begeisterte Surfer, Chatter, Blogger, Vlogger und sonstige Netznutzer sind, die neue Trends begieriger aufzugreifen scheinen als ihre Altersgenossen in Europa.

Ein chilenischer Freund hat mich nun zur Facebook-Gruppe "A que existen más de 1.000.000 de personas que detestan al cura Hasbún" eingeladen. Es handelt sich bei dieser Art von Gruppenseiten offenbar um ein Update der guten, alten Unterschriftenliste, mit der man irgendeiner mehr oder weniger ernst gemeinten Forderung oder Überzeugung Nachdruck verleihen kann. Bei der vorliegenden Gruppe handelt es sich, wie schon der Name verrät, um eine Art Wette mit der Öffentlichkeit, an deren Erfolg man durch seinen Beitritt aktiv mitwirken soll. Sie lautet: "Wetten, dass es mehr als eine Million Menschen gibt, die den Priester Hasbún verachten". Ich bin dann auch beigetreten, obwohl ich mir die Bildsprache der Seite ausdrücklich nicht zueigen mache. Denn der cura Hasbún ist wirklich das Allerletzte.

Es handelt sich um Raúl Alfredo Hasbún Zaror, Diözesanpriester der Erzdiözese Santiago, Professor für Moraltheologie am Priesterseminar von Santiago, Mitglied der Schönstatt-Bewegung und seit vielen Jahren rühriger Zeitungs- und TV-Kolumnist. Verhasst ist der cura Hasbún, wie er von seinen Gegnern genannt wird (seine Anhänger sagen liebevoll padre Hasbún), weil er nicht nur ein Erzfeind der Allende-Regierung war, sondern auch danach alles tat, um das verbrecherische Pinochet-Regime zu stützen und schönzureden. Man muss ihn sich in dieser Zeit als eine Art rechten Karl-Eduard von Schnitzler vorstellen, der in wortgewaltigen Fernsehansprachen die Befreiung der Welt vom Marxismus und ewigen Segen für Augusto Pinochet herbeibetete.

Damals, das muss man gerechterweise erwähnen, hob sich ein Mann wie Hasbún stark vom Mainstream der katholischen Kirche ab, die sich mehr den Opfern der Diktatur verbunden fühlte und auch Hilfe leistete. Inzwischen sind lange Jahre kirchlicher Restauration ins Land gegangen, und natürlich durfte Hasbún nach Pinochets Tod unbehelligt Messen für den Diktator lesen. Mal sehen, wie viele der Gruppe noch beitreten, bis jetzt hat sie bloß 1.400 Mitglieder.



Dieses Youtube-Video verdeutlicht im Ansatz, wie Hasbún auch heute noch auftritt und argumentiert: "Gab es Menschenrechtsverletzungen unter der Regierung von Augusto Pinochet Ugarte? Was für eine törichte Frage! Nennen Sie mir auch nur eine Regierung, eine militärische oder demokratische, deren Sicherheitskräfte sich nie, aber auch niemals irgendeiner Form übermäßiger Gewaltanwendung hingegeben hätten ... Seien Sie (Hasbún wendet sich offenbar an "die Linken") nicht so heuchlerisch! Ihre Regimes, Ihre Militärs haben, wo auch immer sie hinkamen, eine Blutspur hinterlassen", sagt der Mann mit dem römischen Kragen.

Zellaustausch

Irgendwann einmal erzählte mir ein Chilene, der sich für längere Zeit zu Forschungszwecken in Berlin aufhielt, er sei jetzt schon fast Deutscher oder zumindest Europäer, denn die Gesamtheit der Zellen des menschlichen Körpers erneuere sich innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren. Da dies in seinem Fall fern der Heimat geschehen sei, könne er sich nun zumindest physisch kaum noch als Chilene bezeichnen. Vielleicht waren es auch sieben Monate. Unsinn ist es allemal, und es war auch nicht wirklich ernst gemeint. Es fiel mir nur wieder ein, als ich mich heute vorläufig von ein paar Dingen trennte, die nicht mein Lebend-, aber doch mein Bruttogewicht marginal erhöhten und die ich seit gut vier Monaten völlig zweckfrei in meinem Portemonnaie mit mir führte: eine Versicherungskarte der Barmer Ersatzkasse, einen Leserausweis der Zentral- und Landesbibliothek Berlin, eine Chipkarte für das tazcafé und eine seit dem 27. Dezember 2007 abgelaufene Bahn-Card.

Freitag, 20. Juni 2008

Ruhe bewahren


Wegen dringender Übersetzungsarbeiten gibt es an dieser Stelle erst morgen wieder frische Texte. Bis dann!

Donnerstag, 19. Juni 2008

Obacht mit dem Ofen

Der Winter gehört im Süden Chiles zu den gefährlichsten Jahreszeiten. Nicht wegen Lawinen oder Straßenglätte: Die Holzöfen, die 80 Prozent der Haushalte leidlich beheizen, sind ein permanentes Risiko. Die Feuerwehr von Puerto Montt hat jedenfalls gut zu tun: Im Mai waren die bomberos durchschnittlich zweimal am Tag unterwegs, um Kaminbrände zu bekämpfen, manchmal stand auch schon der Dachstuhl in Flammen. Bei einem Kaminbrand entzündet sich der sogenannte Glanzruß im Rohr, ein Produkt unvollständiger Verbrennung, das umso üppiger ausfällt, je feuchter das Brennholz ist. Weil feuchtes Holz billiges Holz ist und der Schornsteinfeger nicht für umsonst arbeitet, brennen zuerst die Häuser der Armen. Aber auch bei uns rieselt und raschelt es trotz emissionsarmer Holzbriketts bereits vernehmlich, wenn sich das Ofenrohr nach dem Anfeuern ausdehnt und innen die schwarz glänzenden Partikel abplatzen. Höchste Zeit, diese Männer zu rufen:


Gut zu tun haben auch die Notaufnahmen der Krankenhäuser. Verbrennungen kommen ständig vor, vor allem an sehr kalten Tagen, wenn der Ofen praktisch glühen muss, um in den dünnwandigen Häusern eine erträgliche Temperatur herzustellen. Auch J. hat sich bereits eine oberflächliche Brandwunde am Arm zugezogen, die nach einer Sekundärinfektion ärztlich versorgt werden musste. Dreimal waren wir in der Klinik, um den Verband zu wechseln. Als wir beim letzten Mal bezahlten, kam schon wieder ein panischer Vater hereingestürmt, auf dem Arm ein Mädchen mit einer frischen, nässenden Verbrennung. So geht das immer weiter, mindestens bis November.

Noch unheimlicher sind freilich die Kohlenmonoxid-Vergiftungen durch defekte Öfen, an denen regelmäßig Menschen zu Tode kommen. Selbst superreichen Prominenten kann das geruchlose Gas böse zusetzen: Cecilia Bolocco, Chiles erste und einzige Miss Universum und Noch-Gattin des argentinischen Ex-Präsidenten Carlos Menem, wurde am vergangenen Wochenende zusammen mit Máximo Menem, ihrem vierjährigen Sohn, in ein Krankenhaus eingeliefert, weil beide bei der Übernachtung im exklusiven Skizentrum La Parva eine CO-Vergiftung erlitten hatten. Schuld war auch hier offenbar ein schlecht gewarteter Ofen.

Wer mag, darf sich trotzdem zum Tagesausklang an unserem fröhlich flackernden Feuer wärmen:




Mittwoch, 18. Juni 2008

Shrei

Aufgabenstellung in einem Deutschtest der neunten Klasse:

Du kannst bei einem Gewinnspiel einen Nachmittag mit deiner Lieblingsband gewinnen. Beschreibe, warum du diesen Preis gewinnen willst (...).

Die Jugendlichen lernen seit neun Jahren Deutsch, jeden Tag, sechs Stunden die Woche. Ein Schüler, es ist nicht der schlechteste, schreibt:

Mein Lieblingsband ist Tokio Hotel. Ich wolle diese Preis gewinnen, weil ich mit Tom Kaulitz, der Sänger, bin wolle. Ich mag dieser Band, weil sie auf Deutschland sind und der Sänger sehr gut sing und ihre Texte sehr emotivish sind. Ich kann sagt, dass ihre Musik sehr laut und cool ist und sie nicht sehr schnell sing. Ihre Texte handeln über Leben oder gefühlen, sie sagen, dass du shrei musst, weil gut für dich ist und in ein andere Texte sagen sie, dass du sehr glücklig bist kann mit die Musik. Ich möchte mit meine Lieblingsband nach Deutschlan fahr, weil ihre Land ist und ich möchte nach ihre Lieblingsort fahr und ich möchte auch, dass sie ein Konzert fur mich geben. Und das ist das ich wolle möchte.

Manchmal ist S. ein bisschen verzweifelt.

Mindestlöhne

Im Tagesspiegel lese ich, dass Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin seinen Job im Prinzip auch für fünf Euro in der Stunde erledigen würde - bzw. dass er einen Bruttobetrag von weniger als 6 Euro als akzteptablen Mindestlohn betrachtet. Seine Genossen sind verständlicherweise sauer auf ihn: offiziell hält die SPD erst 7,50 Euro für einen menschenwürdigen Stundenlohn.

Auch in Chile ist das Thema Mindestlohn - bzw. die Forderung nach einem sueldo digno - ein Dauerbrenner, mit dem Unterschied, dass es längst einen allgemeinen und gesetzlichen monatlichen Mindestlohn gibt, der Jahr für Jahr zum 1. Juli angepasst wird. Gestern hat das chilenische Abgeordnetenhaus den entsprechenden Gesetzentwurf angenommen und an das Oberhaus, den Senat, weitergeleitet. Der Entwurf sieht eine Erhöhung des sueldo mínimo um 10,4 Prozent auf 159.000 Pesos vor. Eine reale Steigerung, wohlgemerkt, denn die Inflation betrug im selben Zeitraum lediglich 8,9 Prozent. Der Betrag ist das Ergebnis von Gesprächen zwischen den Regierungsparteien und dem Gewerkschaftsdachverband CUT.

159.000 Pesos - das entspricht in etwa den monatlichen Kosten einer renommierten Privatschule. Oder der Kaltmiete für ein Drei-Zimmer-Häuschen am Stadtrand. Große Sprünge können die 780.000 ChilenInnen, die den Mindestlohn beziehen, also nicht machen. Natürlich rief die Erhöhung gestern genau die gleichen Reflexe der Wirtschaftsverbände hervor, wie man sie in Deutschland kennt - nur eben auf niedrigerem Niveau: Das senkt die Produktivität, das macht gering qualifizierte Arbeitskraft zu teuer, das vernichtet Jobs. Laut Tercera hat der der rechten Oppositionspartei UDI nahestehende Think-Tank Libertad y Desarrollo (Freiheit und Entwicklung) im Vorfeld der diesjährigen Entscheidung auch berechnet, wie viele Arbeitsplätze bei einem reinen Inflationsausgleich verloren gehen würden: "zwischen 32.023 und 128.092", nicht mehr und nicht weniger.

Dienstag, 17. Juni 2008

Kleine Wohltaten

Ich bin wohltätig, unendlich wohltätig. Fast jeden Tag tue ich Gutes. Ich gebe armen Kindern einen Becher Milch aus, ich leihe Kleinstunternehmern billiges Geld, ich baue mit an einer Klinik für krebskranke Kinder. Selten zuvor war ich so spendabel. Und es tut überhaupt nicht weh.

Genau genommen spende ich nur Kleinstbeträge, die erst über den Umweg gemeinnütziger Einrichtungen in Nächstenliebe auskristallisieren. Denn beim Thema Fundraising ist Chile anderen Ländern technologisch-organisatorisch weit voraus. Jede Super- oder Baumarktkette unterstützt irgendeine Organisation, sei es der Hogar de Cristo mit seinen Kinderspeisungen, der fondo esperanza mit den Mikrokrediten oder die Fundación Nuestros Hijos mit den krebskranken Kindern. Zahlt man an der Kasse in bar und fällt das Wechselgeld derart aus, dass die Angestellte Münzen im Wert von weniger als 10 Peso herausgeben müsste, fragt sie routiniert, ob man nicht der Einrichtung xy ebendiesen einstelligen Betrag spenden wolle. Ich habe mich mal umgehört: Fast niemand traut sich, nein zu sagen. Man riskierte damit einen kühlen Blick der Kassenfrau, verschenkt aber andererseits nur einen mikroskopischen Betrag und nimmt als kleines Extra eine Prise guten Gewissens mit nach Hause.

Natürlich wirft das System Fragen auf. Zuallererst nach den Organisationen, die man da unterstützt. Sicher, die meisten sind eingeführte karitative Einrichtungen, allzu viel kann man da nicht falsch machen. Aber wäre es nicht sinnvoller, sein Geld in kleinere Projekte zu stecken? Gegenfrage: Täte man das wirklich? Über Höhe und Verwendung der eingestrichenen Gelder wird es wohl Rechenschaftsberichte geben, wahrscheinlich sogar auf den jeweiligen Websites abrufbar. Ich habe das nicht geprüft. Ich frage mich vielmehr jedes Mal, wenn ich wieder eine Spende im Gegenwert von 0,004 Euro
getätigt habe, wie viel da überhaupt zusammenkommt. Ich könnte es ja mal überschlagen: Wenn ich, sagen wir, im Schnitt auf fünf Pesos pro Kauf verzichte und, ebenfalls im Schnitt, einmal am Tag an einer Super- oder Baumarktkasse stehe, dann werde ich nach zwei Jahren in Chile ... Moment ... etwa 4,80 Euro gespendet haben. Na ja.

Manche Ketten verfolgen inzwischen eine leicht veränderte Strategie. Bei Líder zeigt einem jetzt die Dame an der Kasse den gesamten Wechselgeldbetrag auf ihrem Display und fragt dann mit Unschuldsmiene, ob und wie viel man denn davon für xy ... Bei mir schlägt diese Technik voll ein: Mit einstelligen Beträgen ist es hier nicht mehr getan. Wenn das auch bei den Chilenen funktioniert und die anderen Unternehmen nachziehen, dürften beim Hogar de Cristo und Konsorten demnächst anständig die Kassen klingeln.

Gesunde Vitamine werfen

Eines wollen die protestierenden Schüler und Studenten in Santiago mit Sicherheit nicht: den von ihnen angegriffenen Sicherheitskräften gesundheitlichen Schaden zufügen (Ausriss: El Llanquihue).


Sonntag, 15. Juni 2008

Helden gesucht

Achtzehn Jahre nach der Abdankung von Augusto Pinochet und anderthalb nach seinem Tod scheint es zumindest Teilen der chilenischen Gesellschaft daran gelegen zu sein, wieder Generäle mit halbwegs reiner Weste, sprich: Uniform zu Idolen zu verklären. Der Tod von Polizeichef José Alejandro Bernales, der vor zwei Wochen bei einem Hubschrauberabsturz in Panama ums Leben kam, wurde von der Regierung und den Offizieren jedenfalls zum Vorwand genommen, eine befremdliche Heldenverehrung zu zelebrieren. Bernales, ein - wie es sich für chilenische Polizeichefs gehört - ziemlich harter Hund, wurde von den Medien zum general del pueblo erhoben, die Präsidentin rief dreitägige Staatstrauer aus. Als der "General des Volkes" zu Grabe getragen wurde, inszenierten Staat, Militär und Kirche eine gewaltige Trauerfeier, zu der sich Tausende einfanden. Alles, was sich an militärischer Symbolik auffahren ließ, wurde aufgefahren: Spaliere strammstehender Gardisten, Offiziersmütze und Säbel auf dem mit der chilenischen Flagge bedeckten Sarg, ein letzter Zapfenstreich. Alle waren des Lobes voll für diesen Mann, der, schenkt man der offiziellen Version Glauben, ein Sinnbild des Anstands, der Disziplin und des Patriotismus war.



Ich hatte mich schon ein wenig über das ganze Brimborium gewundert. So traurig es auch ist, wenn jemand einen tragischen Tod findet - die kollektive Trauer eines ganzen Landes schien mir etwas suspekt, zumal auf der Straße und in Gesprächen mit ganz normalen Chilenen keine außergewöhnliche Bestürzung festzustellen war. Die militärisch organisierte Polizei wird ja auch nicht gerade geliebt, weder für ihre schmutzige Vergangenheit als Teil der Junta noch für ihre sprichwörtliche Gnadenlosigkeit, wenn es in der Gegenwart um die Unterdrückung von zivilem Protest oder die Repression der Mapuche-Aktivisten im Süden des Landes geht.

Vollends wieder geradegerückt hat mein Weltbild ein kleiner, wunderbar respektloser Artikel von Pamela Jiles. Die 48-jährige Journalistin ist ein Ausnahmetalent, hat sich aber immer geweigert, den bequemen Weg zum beruflichen Erfolg einzuschlagen. Als Mitglied der clase alta hat sie konsequent linken investigativen Journalismus betrieben und während der Diktatur für oppositionelle Zeitschriften wie Apsi und Análisis geschrieben. Später arbeitete sie für die Reportagesendung Informe Especial im staatlichen Fernsehsender TVN, schrieb dann Bücher, unter anderem über Sexuelle Phantasien chilenischer Frauen und tauchte irgendwann als intellektueller Sidekick in einem TV-Programm auf, das sich der Analyse der nationalen Promi-Szene widmet und in Deutschland wohl am ehesten mit dem unsäglichen ZDF-Format "Blond am Freitag" zu vergleichen wäre (das, wie ich eben von Wikipedia erfahre, dankenswerterweise vor einem guten Jahr eingestellt wurde). Vor kurzem hat der Sender sie aber gefeuert, weil sie sich ein paar zu deftige Beleidigungen für eine Kollegin ausgedacht hatte.

Das "Trauer-Overacting der herrschenden Klassen" nach dem Tod von Bernales, schreibt Jiles also in ihrer kleinen Reflexion für The Clinic, "riecht nach Opportunismus". Der ganze Überschwang, die Fahnen auf Halbmast, die Übertragung der Beerdigung auf allen Kanälen sollte, so vermutet sie, von den realen Problemen ablenken, die die Chilenen gerade bedrücken: die Schüler- und Studentenunruhen, die Energiekrise, die Arbeitskämpfe in den Kupferminen und bei den Fischern und nicht zuletzt die Zerrissenheit der Regierungskoalition. Zumal, fragt Jiles, und das ist schon fast ein Sakrileg, am Ende niemand so genau wissen wollte, was das denn für eine offizielle Mission war, bei der Bernales und seine Frau, ein enger Mitarbeiter und dessen Frau sowie zwei weitere Unteroffiziere im Helikopter saßen. Tatsächlich hat Bernales eine Rede vor panamaischen Offizieren gehalten, des Weiteren handelte es sich aber allem Anschein nach eher um eine Vergnügungsreise. Als der Hubschrauber abstürzte, kam die Gruppe gerade von einem Einkaufsbummel in Colón, der zweitgrößten Freihandelszone der Welt, zurück, wo sie Parfüms und Videokameras gekauft hatte. Diese Art von Reisen, so viel ist inzwischen durchgesickert, hatte Bernales mit Frau und Begleitern bereits nach Italien, Spanien und Deutschland unternommen - auf Staatskosten, versteht sich.

Während man dem Volksgeneral die Trauermesse las, wurden bei chilenischen Gerichten zwei Klagen gegen Sondereinheiten der Polizei eingereicht - eine wegen Misshandlungen von demonstrierenden Schülern, eine zweite wegen sexueller Belästigung einer Minderjährigen. Davon, schreibt Jiles, nahmen die Medien nicht einmal Notiz.

Samstag, 14. Juni 2008

Freitag, 13. Juni 2008

Regenfahrt



Eine Blogleserin hat sich mehr Regenvideos gewünscht. Voilà.

Donnerstag, 12. Juni 2008

Glück gehabt

"Paraskavedekatriaphobie" heißt die Angst vor Freitagen, die, wie heute, auf den 13. eines Monats fallen, lese ich bei Spiegel Online. Ob mit oder ohne Phobie, hier unten müssen wir uns um das Datum keinen Kopf machen, denn in Lateinamerika gilt nicht viernes, sondern martes trece, also Dienstag der 13. als Unglückstag. Warum das so ist, darum ranken sich wie üblich viele Mythen. Ich verweise nur auf ein hübsches Sprichwort, das ich bei Wikipedia gefunden habe und das eine generelle Dienstagswarnung ausgibt:

El martes, ni te cases ni te embarques, ni de tu casa te apartes.

In etwa: Am Dienstag heirate nicht, besteige kein Schiff und bleib am besten gleich zu Hause.

Wie gesagt, heute ist Freitag.

Erfrischend subversiv

Man kann über Chiles Presse vieles sagen, auch viel Schlechtes. Die mit Abstand größte Tageszeitung, der Mercurio, ist und bleibt ein rechtes Kampfblatt, und links gegenüber geht es auch selten ohne Dogamtismus (etwa im Punto Final oder gar dem kommunistischen Siglo). Die Fallhöhe zwischen Hauptstadt und Provinz ist enorm, obwohl man das auch aus anderen Ländern kennt. Und es gibt Erfreuliches: die Clinic, die von Außenstehenden meist als "linkes Satireblatt" definiert wird, tatsächlich aber viel mehr zu bieten hat, nämlich sauber recherchierte politische Stücke, gute Reportagen, viel Witz und eine erfrischend libertäre Einstellung. Derweil hat sich die Tercera, die in Zeiten der Diktatur ein mediokres Duckmäuserblatt war, nach dem Wegbrechen mehrerer Konkurrenzerzeugnisse zu einem erfreulich liberalen Journal mit sehr lesenswerten Meinungsseiten entwickelt.

Auf der technischen Seite erstaunt, dass praktisch alle Tageszeitungen als papel digital für jedermann im Internet aufrufbar sind, sprich: komplett und im Printlayout. Das Aufrufen der Seiten in ausdruckbarer Auflösung dauert wenige Sekunden. Zum Kiosk gehen muss man da als Vielsurfer eigentlich nicht mehr.

Auf der Schnittstelle zwischen technischer und inhaltlicher Innovation begeistern mich die kleinen Videoreportagen, die die Tercera auf ihre Homepage stellt. Anfangs wirkt das, was man da anklickt, irritierend roh, fast ungeschnitten (was es natürlich nicht ist). Es gibt keinen Off-Kommentar, nur eingestreutes Interviewmaterial. Manchmal hält die Kamera einfach minutenlang drauf, etwa wenn die Polizei eine der aktuellen Schülerdemos zerschlägt. Oder der Videoreporter begleitet eine Ministerin, die Straßenbauarbeiten in einem Armenviertel begutachtet und sich von den Anwohnern überraschenderweise harsche Kritik an den aus ihrer Sicht völlig unzureichenden Maßnahmen gefallen lassen muss. Man sieht und hört viel Atmosphärisches und bisweilen auch Aussagen öffentlicher Personen, die sie sich besser ein zweites Mal überlegt hätten. Das ist erfrischend subversiv und hat mit rundgelutschten Online-News wenig zu tun.

Mittwoch, 11. Juni 2008

Gefunden

Manche Katastrophe endet doch noch gut oder zumindest glimpflich: Die vor fünf Tagen in der fast menschenleeren Aysén-Region verschollene Cessna ist trotz Regen- und Schneestürmen in einem Waldgebiet gefunden worden. Der Pilot war inneren Verletzungen erlegen, aber seine neun Passagiere hatte er einigermaßen heil zu Boden gebracht. Sie werden seit gestern Nachmittag im Krankenhaus von Puerto Montt behandelt. Bilder von der Rettung hier und hier.

Schogetten

Vor langer, langer Zeit sammelte ich meine ersten Erfahrungen mit Chile in Arica, an der peruanischen Grenze. Damals gab es in der 160.000-Einwohner-Stadt, wenn ich mich recht erinnere, einen einzigen Supermarkt, der diesen Namen verdiente. Groß war er nicht, aber man konnte bei Las Brisas als Deutscher ein paar exotische, sprich vertraute Dinge finden: Mehl ohne Zusatz von Backpulver etwa und ein paar Sorten Ritter-Sport-Schokolade, mit der ein deutscher Freund, der ebenfalls mehrere Monate in der Wüstenstadt verbrachte, gelegentlich sein Heimweh stillte.

Heute, fast zwanzig Jahre später und 3000 Kilometer südlicher, nimmt sich diese Erfahrung sonderbar aus. Zwischenzeitlich sind in Chile nicht nur gigantische Supermarktketten entstanden, auch die Warenvielfalt ist sprunghaft gestiegen. In Puerto Montt, wo so viel Kaufkraft vorhanden ist wie in kaum einer anderen Provinzstadt, muss man als Ausländer praktisch auf nichts verzichten - so man es denn als schwerwiegenden Verzicht empfindet, sich fern der Heimat nicht von deren Produkten ernähren zu können.


Bei Santa Isabel, einer landesweiten Marktkette, die eine Filiale in unserer Nachbarschaft betreibt, war gerade "Internationale Woche": Für den deutschen Gaumen gab es nicht nur Apfelrotkohl und Tafelmeerettich von Kühne, sondern auch Schwartau-Marmeladen, Schogetten und Rostocker Export aus der Dose. Aber auch sonst warten das ganze Jahr über Nutella, Knäckebrot oder Lakritzschnecken auf Abnehmer. Bei Jumbo gibt es ganze Regale voll importierter Delikatessen, inklusive Dr.-Oetker-Backmischungen und Salzstangen, Jägermeister und Hefeweizen. Die Ritter Sport liegt sowieso im Schokoladen-Gang, zwischen der Milka und der Toblerone. Eines vermissen wir allerdings seit ein paar Monaten im Angebot: "Bionade ist ausgekauft", wie J. es ausdrückt.

Dienstag, 10. Juni 2008

Waret den Anfängen

Dass es beileibe nicht nur in Chile Probleme mit der Bildung gibt, daran hat mich die Umsatzübersicht meines Girokontos bei der Berliner Volksbank erinnert. Ich hatte ein Editor-Programm für PDF-Dateien käuflich erworben und den entsprechenden Betrag mithilfe des "TelefonServiceComputers" der Bank überwiesen. Wer auch immer das abhört, was man da auf Band hinterlässt, die Orthografie ist nicht seine Stärke:


Barrikaden

Selbst in unserer beschaulichen kleinen Stadt haben sich gestern die Schüler mehrerer staatlicher Oberschulen aus Protest gegen das neue Bildungsgesetz in ihren Einrichtungen verschanzt. Das funktioniert hier technisch immer nach Stacheltier-Prinzip: Tische und Stühle werden derart im Schulzaun verkeilt, dass die Beine bedrohlich nach außen ragen. Das billige Leicht-Mobiliar eignet sich dafür offensichtlich hervorragend. Passiert ist dann doch nichts, obwohl bedrohlich viele Polizisten aufmarschiert waren und der Wasserwerfer in Gefechtsstellung positioniert war.

Wann haben deutsche Jugendliche eigentlich zuletzt ihre Schule besetzt, um ihrem politischen Willen Ausdruck zu verleihen? 1968? Ich erinnere mich lediglich an ein paar lahme "Streiks" in den vergangenen Jahren, bei denen die Mehrzahl ob des Unterrichtsausfalls frohlockte und gleich zu Hause blieb. Auch wenn die Forderungen der chilenischen Schüler unausgegoren sein mögen - ich kann das nicht so recht beurteilen -, ihre Aktionsformen und ihren Organisationsgrad finde ich beachtlich.

Montag, 9. Juni 2008

Schlechte Noten

Proteste und kein Ende: Kaum hat die Regierung dem massiven Druck der Transportunternehmer nachgegeben und ihnen einen befristeten Steuernachlass auf Dieselkraftstoff in Aussicht gestellt, fordern auch die Betreiber von Bussen und Taxis entsprechende Vergünstigungen, und die Angestellten des riesigen Transantiago-Verkehrsverbunds in der Hauptstadt drohen mit Streiks, weil sie seit langem vergeblich auf bessere Arbeitsbedingungen warten.


Richtig zur Sache geht es bei den Demonstrationen von Schülern und Lehrern gegen die baldige Verabschiedung des neuen Schulgesetzes (Ley General de Educación). Das LGE wurde von der regierenden Concertación erarbeitet, nachdem zehntausende Oberstufenschüler zum Winteranfang 2006, also vor genau zwei Jahren, wochenlang auf die Straße gegangen waren und damit eine politische Krise heraufbeschworen hatten – was wegen der allgegenwärtigen Schuluniformen als „Revolution der Pinguine“ in die Annalen einging. Der Protest richtete sich gegen das noch von Pinochet erlassene geltende Gesetz, durch das große Teile des Bildungswesens privatisiert und dezentralisiert wurden. „Dezentral“ klingt gut, aber die riesigen sozialen Unterschiede zwischen den einzelnen Städten und Gemeinden, die seitdem die staatlichen Schulen betreiben, haben die Gleichung "arm = ungebildet" nur verschärft. Nach Ansicht der heutigen Demonstranten schreibt der Entwurf des neuen Gesetzes die Ungerechtigkeiten des alten in großen Teilen fort. Erst gestern wurden 200 Schüler festgenommen, die sich in ihre Schulen verbarrikadiert hatten. Wer die chilenische Polizei ein wenig kennt, weiß, dass solche Räumungen mit ausgesuchter Brutalität vonstatten gehen.


Auch sonst liegt in Chiles Schulen einiges im Argen. Die jährliche Bildungsstudie SIMCE offenbart mit trauriger Regelmäßigkeit die kognitiven Defizite der Schüler und insbesondere die enorme Kluft zwischen privaten bzw. halbprivaten und öffentlichen Schulen. Wer letztere besucht, muss schon außerordentlich talentiert und fleißig sein, um bei der zentralen Zulassungsprüfung zum Universitätsstudium ausreichend Punkte zu sammeln. Vom Ergebnis der PSU (Prueba de Selección Universitaria) hängt es ab, ob man an einer der renommierten staatlichen Unis studieren kann oder nur an einer miesen privaten Klitsche – hier ist das Verhältnis staatlich/privat mit wenigen Ausnahmen genau umgekehrt.


Zu allem Überfluss haben jetzt auch noch Knut, Holger und Susanne scharfe Kritik am chilenischen Schulwesen geübt. Knut, Holger und Susanne sind Lehrer an der Deutschen Schule Santiago (einer Elite-Einrichtung, wohlgemerkt), die von der Tercera neben anderen ausländischen Pädagogen – Kanadiern, Italienern, Franzosen, Briten – nach ihren Erfahrungen befragt wurden. Ihr Urteil fällt vernichtend aus: Alles stehe und falle mit der PSU, klagen sie, weshalb auch der Unterricht in den oberen Klassen nur noch zum Einpauken des geforderten Stoffs dient. Sie monieren das System der Bewertung von schulischer Leistung, bei dem Zehntelnoten über die Zukunft des Schülers entscheiden. Außerdem, sagen Susanne und Holger, fehle vielen der Jugendlichen die Reife und die Disziplin, sich aus eigenem Antrieb mit schulischen Inhalten auseinanderzusetzen. Nur in einem Punkt sind sich alle befragten Ausländer einig: Das Verhältnis zwischen Schülern, Lehrern und Eltern ist in Chile viel enger und vertrauensvoller als in ihren Herkunftsländern.

S. kann das meiste aus ihrer bisherigen Erfahrung bestätigen. Auch sie muss sich mit der Vergabe von Noten herumschlagen, bei denen ein Zehntel mehr oder weniger extreme Folgen zeitigen kann – im schlimmsten Fall das vorzeitige Ausscheiden aus der Schule, an der ja nur die Besten der Besten von Puerto Montt lernen sollen. Weil es bei der Uni-Zulassung zu einem kleinen Teil auch auf den Notendurchschnitt der Oberstufe ankommt, beanstanden außerdem viele Eltern die relativ strengen Beurteilungskriterien und entsprechend "schlechten" Noten im Fach Deutsch - das dann aber in der PSU selbst nicht getestet wird. Ob man Deutsch nicht in eine AG auslagern könne, wird manchmal gefragt – und das an einer Schule, die diese Sprache seit fast 140 Jahren mit Stolz im Namen trägt. Am meisten stört auch S., dass in der Oberstufe alles dem Diktat der PSU unterworfen wird: Ohne Rücksicht auf Verluste wird Prüfungsstoff gebimst, für irgendwelche Spielereien wie Theaterprojekte oder Literaturzirkel ist da kein Platz.


Das klingt jetzt vielleicht negativer, als es tatsächlich ist. Grundsätzlich macht S. der Unterricht viel Spaß. Das hat tatsächlich auch mit der engeren Lehrer-Schüler-Beziehung zu tun. Probleme mit der Disziplin gibt es auch hier, aber dabei geht es um Unaufmerksamkeit oder ähnliches. Den oder die profe dagegen durch Mobbing zu zermürben, wie es in Deutschland gang und gäbe ist, so etwas fällt hiesigen Schülern gar nicht ein, und das ist auch sehr gut so.


Creminem

Um eine Fußpilzinfektion zu behandeln, die ich mir einmal im Kombibad Seestraße zuzog und die sich in unregelmäßigen Abständen bemerkbar macht, habe ich mir in der Apotheke eine Fungizid-Creme besorgt. Nicht die weltweit vertriebene Marke der Firma Bayer, sondern ein deutlich preiswerteres chilenisches Fabrikat. Angesichts des phantasievollen Produktnamens muss man davon ausgehen, dass dessen Erfinder auf Rap steht - oder ihn abgrundtief hasst.

Weil "Fußpilz" so ein hässliches Wort ist, verwendet man im Spanischen übrigens wie im Englischen die in meinem Fall überaus schmeichelhafte Bezeichnung "Sportlerfuß" (pie de atleta).

Sonntag, 8. Juni 2008

Einkaufen

Ob ich nicht eine tarjeta Presto wolle, flötet die Promoterin im neu eröffneten Express Líder. Wirklich nicht? Man bekomme auch einen USB-Stick und ein Kilo Kaffee dazu geschenkt. Ich muss sie enttäuschen: Wir besitzen zwar einen chilenischen Personalausweis, aber ohne die permanencia definitiva, die dauerhafte Aufenthaltserlaubnis, gibt es keine Kreditkarte in Chile, auch nicht eine, die nur in bestimmten Ladenketten gültig ist. Das haben wir bereits gelernt.


Der Kauf auf Pump ist den Chilenen während der vergangenen Jahrzehnte in Fleisch und Blut übergegangen. Jeder Supermarkt akzeptiert eine der gängigen Konsum-Kreditkarten, und beim Bezahlen an der Kasse heißt es nicht nur
¿acumula puntos? - was dem auch in Deutschland verbreiteten Kundenkarten-Prinzip entspricht -, sondern auch: ¿paga en cuotas? Jeden Liter Milch, jede Schachtel Streichhölzer kann man, wenn man denn will und eine entsprechende Karte besitzt, in Raten bezahlen. Das können drei oder auch mehr sein, man kann eine größere Anzahlung machen oder nicht, man kann sogar manchmal mehrere Monate von der Ratenzahlung ausnehmen, ohne dass Zinsen fällig werden – was aber nicht von der Kulanz des Unternehmens, sondern von den sich ständig ändernden Konditionen und Lockangeboten abhängt.



Überhaupt ist das Bezahlen an der Supermarktkasse ein mittelschweres Abenteuer, besser gesagt: das Anstehen. Dass nur zwei Kunden vor einem in der Schlange warten, sagt über die verbleibende Zeit wenig aus. Nicht nur kann plötzlich eine Kreditkarte gesperrt sein, es kommt auch ständig vor, dass der Scanner bei irgendeinem Produkt versagt. Dann drückt die Kassiererin einen Knopf und oben blinkt eine Lampe. Das ruft die Supervisorin auf den Plan, deren höhere Postition in der Supermarkthierarchie sich schon im Äußeren ausdrückt. Bei Jumbo tragen die Kassenfrauen moosgrüne Strickjacken, die Supervisorinnen – oder wie auch immer sie heißen – ein blütenweißes Jackett. Oft sind aber auch sie ratlos. Dann wird in abgegriffenen Büchlein geblättert, in die Strichcodes eingeklebt sind. Oder eine zweite Supervisorin oder jemand noch Wichtigeres wird gerufen. Wenn wir mit Visa bezahlen, scheitern die Angestellten zuverlässig an unseren exotischen Ausländer-Ausweisen. Dann drücken sie einen Knopf – und so weiter. Weil das alles so ist, haben die großen Supermärkte außerordentlich viele Kassen. Selbst in einem Provinznest wie Puerto Montt sind es im Schnitt um die dreißig, in Santiago gibt es Märkte mit über hundert.


Auch sonst sind die Dimensionen beeindruckend. Die Verkaufsflächen von Jumbo oder Hiper Líder übertreffen mühelos ein Fußballfeld, und nach oben ist ebensoviel Luft und Raum wie zwischen den großzügig aufgestellten Regalen. Daran und am riesigen Angebot liegt es wohl, dass die Chilenen so gerne einkaufen gehen. Im Jumbo, dem Hypermarkt der oberen Zehntausend, flanieren sie nach Feierabend durch die Gänge, die Kinder spielen Fangen, Bekannte grüßen sich und vergleichen insgeheim den Inhalt ihrer Einkaufswagen. Im Hintergrund plätschert Musik. Die Leute fühlen sich sichtlich wohl. Man kann das abstoßend finden. Man kann sich aber auch fragen, was etwa an der deutschen Supermarktkultur, die den Akt des Kaufens als Arbeit begreift, welche bestenfalls effizient und reibungslos vonstatten geht, meist jedoch mit Stress und Hetze verbunden ist - was an dieser Kultur besser sein soll. Ja, was denn? Eigentlich nichts.


Samstag, 7. Juni 2008

Teilweise Entwarnung

Für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass jemandem diese Meldung einer großen deutschen Nachrichtenagentur

Ein Flugzeug mit zehn Menschen an Bord wird seit Samstagnachmittag (Ortszeit) im Süden Chiles vermisst. Die Maschine der Gesellschaft Patagonia Airlines war in Puerto Montt rund 1000 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago de Chile gestartet. Nach lokalen Medienberichten begann die Luftwaffe mit Nachforschungen. Die Suche musste wegen einbrechender Dunkelheit unterbrochen werden. Am Sonntag sollen bei günstigem Wetter bei Tagesanbruch Hubschrauber und Flugzeuge starten, um nach der vermissten Maschine zu suchen.

über den Weg laufen sollte: Wir saßen nicht drin.

Freitag, 6. Juni 2008

be Berlin - made in Chile

Gesehen hier.

Donnerstag, 5. Juni 2008

Invasoren


Valle Volcanes, unser Viertel, ist ein typischer Vertreter der Klasse Suburbia, seine Bewohner haben den Ruch des Ländlichen aus ihrem Dasein getilgt. Nur manchmal bricht das uns umgebende Rurale unverhofft in diese Wirklichkeit ein. Und scheißt die Vorgärten voll.

Zerstört

Die kleine Stadt Chaitén, deren Hausberg sich vor einem guten Monat als aktiver Vulkan entpuppte, bleibt weiter evakuiert. Wie aktuelle Bilder zeigen - hier eine Galerie -, ist mit den Resten des Ortes auch nicht mehr viel anzufangen, seit der Fluss im andauernden Ascheregen über die Ufer trat. Traurig für die chaiteninos, die sich das aus sicherer Entfernung, aber ohnmächtig ansehen müssen.

Mittwoch, 4. Juni 2008

Streik

Wenn die diversen Naturkastastrophen gerade einmal nachlassen, machen sich die Chilenen gegenseitig das Leben schwer - wie das eben so üblich ist auf der Welt. Am Montagabend sind die Lastwagenfahrer, besser gesagt: die Lastwagenbesitzer in einen Streik getreten, der eigentlich 48 Stunden dauern sollte, jetzt aber vom Verband der Transportunternehmer auf unbegrenzte Zeit verlängert wurde. Mit der Arbeitsniederlegung und teilweise auch mit Straßenblockaden soll eine Senkung des Diesel-Preises erzwungen werden, der in den vergangenen Wochen auch in Chile historische Höhen erreicht hat und mit dem Benzin gleichzieht. "Wir arbeiten nur noch für die Tankstellen", maulen die transportistas.

Auf der Panamericana stapeln sich die Laster. Ausriss: El Llanquihue

Tatsächlich hat die Regierung in Santiago bereits Hilfe zugesagt: Die Einzahlung von einer Milliarde US-Dollar in den nationalen Kraftstoff-Stabilisierungsfonds soll den Liter Diesel von derzeit 650 Pesos (etwa 87 Eurocent) auf 600 Pesos (rund 80 Eurocent) drücken. Das reicht nicht, finden die camioneros, sie verlangen drastische Steuersenkungen. Ihre Streiks sind brisant in Chile, wo die Bahn als Transportmittel eine marginale Rolle spielt und kaum Ausweichrouten neben der Panamericana bestehen. Zur Destabilisierung der Allende-Regierung Anfang der 70er haben die Transportunternehmer entscheidend beigetragen.


In Puerto Montt streiken nicht nur die Lastwagen- sondern auch die Bus- und viele Taxifahrer. Entsprechend fiel der heutige Feierabend-Stau aus, an den Straßenrändern standen Trauben von Menschen im Regen, die nach einer Mitfahrgelegenheit in die Peripherie Ausschau hielten. Besonders grotesk: die Autoschlangen an den Tankstellen, wo man sonst eigentlich nie warten muss. Entgegen den hiesigen Gewohnheiten wollen alle noch einmal den Tank voll machen, bevor auch die Zapfsäulen mangels Nachschub streiken. Und weil das eine self-fulfilling prophecy ist, werde auch ich mich jetzt, zu vorgerückter Stunde, noch einmal auf den Weg zur Tanke machen.